Praxisbeispiel
Aus der Werkstatt für behinderte Menschen an die Technische Hochschule Köln

Wo lag die Herausforderung?

Interessierten Menschen mit schweren Behinderungen eine alternative Beschäftigung zur Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu ermöglichen ist Inhalt eines Projektes, das sie über eine neu dazu entwickelte Qualifizierung zu Bildungsfachkräften ausbildet. Das Projekt suchte in diesem Zusammenhang mit der Uni nach Kandidatinnen und Kandidaten. Am Ende sollte dann eine Anstellung als Bildungsfachkraft an der Uni erfolgen.

Was wurde gemacht?

Es wurde ein Bewerbungsverfahren mit Vorstellungsgesprächen durchgeführt, wobei besonders sieben Personen überzeugen konnten. Sie wurden in Rahmen der dreijährigen Ausbildung in fünf Modulen zur Bildungsfachkraft qualifiziert. Am Ende jedes Moduls erfolgte eine Prüfung und zum Abschluss dann die Übergabe eines Zertifikates und die Anstellung bei der Uni.

Schlagworte und weitere Informationen

Das Projekt des Instituts für inklusive Bildung NRW zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, die früher in einer WfbM beschäftigt waren und nun als Bildungsfachkräfte an der Uni tätig sind, wurde vom Inklusionsamt des Landschaftsverbandes Rheinland, der Kämpgen Stiftung und der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW gefördert. Das Projekt wurde mit dem ersten Preis beim Kölner Innovationspreis Behindertenpolitik der Stadt Köln ausgezeichnet.
Beim Übergang von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt kann das Budget für Arbeit in Anspruch genommen werden. In dessen Rahmen erhalten Unternehmen einen Lohnkostenzuschuss. Bei Bedarf kann auch die Unterstützung durch eine Assistenz über das Budget für Arbeit gefördert werden. Die Förderung durch das Budget für Arbeit erfolgt durch den Träger der Eingliederungshilfe in dem betreffenden Bundesland.

Unternehmen:

Das Unternehmen ist eine Hochschule mit 27.000 Studierenden und rund 2.000 Beschäftigten. Das Beschäftigungsverhältnis zwischen Unternehmen und sieben Beschäftigten mit einer Schwerbehinderung kam durch ein Projekt des Instituts für Inklusive Bildung NRW zustande. Durch das Projekt sollten Menschen mit Behinderungen, die sich in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) unterfordert fühlten, eine Qualifizierungsmöglichkeit zur Bildungsfachkraft für Studierende an der Uni erhalten.

Behinderung und Beeinträchtigung der Beschäftigten:

Die Beschäftigten haben unterschiedliche Behinderungen aufgrund von Beeinträchtigungen beispielsweise durch Blindheit, Down-Syndrom, Lernbeeinträchtigung oder sind aufgrund einer Körperbehinderung auf einen Rollstuhl und Kommunikationshilfen angewiesen. Die Behinderungen führen zu Einschränkungen bei der visuellen Wahrnehmung, dem Lernen, der sprachlichen Kommunikation und Mobilität.

Übergang WfbM – allgemeiner Arbeitsmarkt:

Das Institut für Inklusive Bildung NRW suchte gemeinsam mit der Technischen Hochschule Köln geeignete Menschen, die ihre Beschäftigung in einer WfbM aufgeben wollten, um sich zu Bildungsfachkräften ausbilden zu lassen. Nach der dreijährigen Qualifizierung lehren und sensibilisieren sie dann als Expertinnen und Experten in eigener Sache Studierende in sozialen Studiengängen, Medizin oder Grafik-Design über Lebenswelten, Bedarfe und spezifischen Sichtweisen von Menschen mit Behinderungen. Im Rahmen des Projektes wurden Bewerbungsgespräche mit verschiedenen Menschen mit Behinderungen geführt, die Interesse an einem solchen Angebot haben. Am Ende konnten sieben der Bewerberinnen und Bewerber von sich überzeugen und wurden als Teilnehmende zur Ausbildung in das Projekt aufgenommen. Nach erfolgreicher Qualifizierung zur Bildungsfachkraft erhielten die Teilnehmenden ein entsprechendes Zertifikat und eine Anstellung bei der Technischen Hochschule Köln.
Diese Form der Qualifizierung von ehemals in einer WfbM Beschäftigten zu Lehrenden an einer Uni, wurde neu entwickelt – ist aber nicht nur auf den Standort Köln begrenzt. Sie wird mittlerweile an insgesamt fünf Standorten bzw. den dortigen Universitäten in Deutschland angeboten.

Ausbildung:

Zu Beginn lernten sich die sieben teilnehmenden Personen im Institut für Inklusion NRW kennen und es wurde ihnen der Ablauf zur Qualifizierung vorgestellt. Im Anschluss wurden sie mit den Räumlichkeiten der Uni vertraut gemacht und bekamen eine erste Vorstellung, in welchen Räumen welche Veranstaltungen angeboten werden und wie man sich im Gebäude zurechtfindet. Damit die Teilnehmenden sich besser kennenlernen konnten, wurden bestimmte Methoden, z. B. "Dreieck der Gemeinsamkeiten", eingesetzt. Die eigentliche Ausbildung fand schwerpunktmäßig in der sog. Bildungswerkstatt an der Uni statt, wo die Inhalte der fünf Module vermittelt und in Gruppenarbeit erarbeitet wurden. Aber auch Exkursionen, der Besuch von Vorlesungen zu den Modulthemen und das Vortragen bei Seminaren waren und sind Teil des Lehrplans.
Zu den Modulen gehörten bzw. gehören:
  • Arbeit und Bildung (Aufbau und Bedeutung von Arbeit und Bildung im Zusammenhang mit Behinderungen und Teilhabe in der Gesellschaft)
  • Teilhabe (Verständnis / Partizipation / Normalität, Grundlegende demokratische Abläufe, Institutionen / Funktionen im Gemeinwesen, Teilhabe in Gesellschaft / Politik und damit zusammenhängende Rechte)
  • Praxis der Bildungsarbeit (Vermittlung der Lebenswelten, Bedarfe und Sichtweisen von Menschen mit Behinderungen; Planung, Durchführung, Evaluation und Reflexion der Bildungsarbeit)
  • Methoden, Instrumente und Techniken der Bildungsarbeit
  • Abschlussmodul
Nach jedem Modul erfolgte eine Abschlussprüfung in Form eines Referates und anschließend konnte das nächste Modul absolviert werden. Am Ende der Module bzw. nach dem Abschlussmodul erhielten die Teilnehmenden ein Zertifikat, wenn vorher die Prüfungen zu den Modulen bestanden wurden.
Im Rahmen des Moduls Arbeit und Beschäftigung sollte beispielsweise eine inklusive Modell-Schule entwickelt werden. Zur Entwicklung sollten die sieben Expertinnen und Experten in eigener Sache bzw. die Teilnehmenden der Qualifizierung zur Bildungsfachkraft einbezogen werden. In einer gemeinsamen Gesprächsrunde wurden zunächst Gedanken zur Inklusion gesammelt und erste Ideen entwickelt, mit denen der Schulalltag für Menschen mit Behinderungen vereinfacht und verbessert werden könnte. Es wurde außerdem über zu vermittelnde Werte gesprochen und welche Fächer an dieser Schule unterrichtet werden sollten.
Nach vier Wochen lernten die Teilnehmenden dann im Rahmen des Moduls Arbeit und Beschäftigung die Studierenden kennen und waren erstmalig Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Fragen seitens der Studierenden an Menschen mit Behinderungen. Das Feedback der Studierenden fiel hinterher durchweg positiv aus. Sie waren beeindruckt über die Offenheit der Teilnehmenden und haben wertvolle Erfahrungen aus den Gesprächen mit ihnen gezogen.
Im zweiten Modul Teilhabe mussten die Teilnehmenden des Projekts beispielsweise eine Seminarreihe zu Lebenswelten vorbereiten und danach die einzelnen Seminare mit den Studierenden durchführen. Zuerst wurde von ihnen dazu die Zielsetzung festgelegt und danach, wie die jeweiligen Seminarziele erreicht werden konnten. Im ersten der sechs Seminare wurden gezielt Methoden zum Kennenlernen eingesetzt. Die weiteren Seminare hatten dann das Thema Lebenswege, Bildung, Wohnen und Alltag, Familie und Zukunft von Menschen mit Behinderungen. Am Schluss ging aus den Rückmeldungen der Studierenden hervor, dass die erste Seminarreihe ein voller Erfolg war.
Da die Teilnehmenden vor der Durchführung der Seminare lernen mussten vor Personen und größeren Gruppen zu sprechen, bekamen sie Unterstützung von einer Schauspielerin und Auftrittstrainerin. Sie vermittelte und zeigte ihnen, wie sie sich vor den Studierenden präsentieren sollten und auf welche Strategien sie beim Halten von Seminaren und Vorlesungen zurückgreifen können. Um danach weiter zu üben, hatten alle Teilnehmenden erst noch eine Präsentation vorbereitet, die sie vor der Gruppe hielten, um so das Dozieren vor Studentinnen und Studenten zu simulieren.

In Bezug auf Gespräche, Diskussionen und Besprechungen der am Projekt Teilnehmenden traten auch Herausforderungen auf, die überwiegend die Kommunikation und Vermittlung der Inhalte betrafen. Es wurde dann entsprechend von der Gruppe nach Lösungen gesucht und Formen vereinbart, die den betroffenen Personen der Gruppe ein besseres Verstehen auf kognitiver und kommunikativer Ebene ermöglichten. So konnten danach u. a. die Inhalte von den Personen mit Lernbeeinträchtigungen besser verstanden werden und auch ein Teilnehmer besser über seine Kommunikationshilfe an seinem Elektrorollstuhl an Gesprächen und Diskussionen teilnehmen. Auch zur Vorbereitung, Durchführung und zum Festhalten von Inhalten wurden Hilfsmittel eingesetzt, z. B. für einen Teilnehmer Blindenhilfsmittel. Einige der Teilnehmenden sind behinderungsbedingt nicht in der Lage bestimmte Aufgaben körperlich auszuführen und können deshalb bei Bedarf auf eine Assistenz zurückgreifen.

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • EFL - Gehen
  • EFL - Stehen (längeres/vorgeneigt/Rotation)
  • ELA - Feinmotorik
  • ELA - Gehen
  • ELA - Handgreifkraft
  • ELA - Reichen
  • ELA - Stehen
  • ERGOS - Dreipunktgriff
  • ERGOS - Fingergeschicklichkeit
  • ERGOS - Handgeschicklichkeit
  • ERGOS - Handgreifkraft
  • ERGOS - Laufen (Gehen)
  • ERGOS - Reichen
  • ERGOS - Schlüsselgreifkraft
  • ERGOS - Sehen
  • ERGOS - Sprechen
  • ERGOS - Stehen
  • IMBA - Armbewegungen
  • IMBA - Feinmotorik (Hand- und Fingergeschicklichkeit)
  • IMBA - Gehen/Steigen
  • IMBA - Hand-/Fingerbewegungen
  • IMBA - Lautabgabe/Sprechen
  • IMBA - Lernen/Merken
  • IMBA - Sehen
  • IMBA - Stehen
  • MELBA - Feinmotorik
  • MELBA - Lernen/Merken
  • MELBA - Sprechen

Referenznummer:

PB/111169


Informationsstand: 23.08.2022