Praxisbeispiel
Kurzbeschreibung:
Interview mit dem Bereichsleiter der Kommunalbetriebe im Rahmen eines Projekts zu gesetzlichen Auswirkungen bei der beruflichen Integration schwerhöriger, ertaubter und gehörloser Menschen durch Kommunikation und Organisation.
Inhalte des Gesprächs sind die Themenbereiche:
Inhalte des Gesprächs sind die Themenbereiche:
- Unternehmen und Funktion des Bereichsleiters
- Beschäftigte mit Hörschädigungen im Unternehmen
- Kontakt zu Beschäftigten mit Hörschädigungen
- Kommunikativer Austausch
- Positionen und Aufgaben der Beschäftigten mit Hörschädigungen
- Einstellungskriterien und Bewerbungsverfahren
- Prüfung der Eignung und Bedenken
- Gefahren und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz
- Karrierechancen
- Voraussetzungen für eine Leitungsfunktion
- Qualifizierungsmaßnahmen
- Arbeitsalltag für Beschäftigte mit Hörschädigungen und Barrieren
- Kommunikation und Hilfsmittel
- Förderung und unterstützende Einrichtungen
- Gebärdensprachdolmetschende Personen
- Rechte von Menschen mit Behinderungen
Schlagworte und weitere Informationen
Das folgende Interview wurde im Rahmen des Projektes GINKO geführt und befasst sich mit der Arbeits- und Beschäftigungssituation von Menschen mit Hörschädigungen.
GINKO:
Beschreiben Sie bitte mit wenigen Worten Ihren Betrieb und Ihre Funktion hier.
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also der städtische Eigenbetrieb Stadt XXX ist ein Kommunalbetrieb der Stadt. Unser Hauptaufgabengebiet ist in Stadt XXX die Daseinsfürsorge für die Stadt XXX-er Bürger. Das heißt, die Bereiche Abfallbeseitigung, Grünpflege, Straßenreinigung, Winterdienst, Friedhofsunterhaltung, das sind so die Kernpunkte inklusive Kanalwesen. Wir haben noch einige Nebenbetriebe, das heißt also auch Werkstätten zum Eigenbedarf: Kfz-Werkstatt, Schreiner, Maler, Schlosser und sind insgesamt 230 bis 235 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind aktuell 19 Auszubildende, wir haben ein Prozentsatz von circa 17 was Kolleginnen und Kollegen betrifft, die eine anerkannte Schwerbehinderung haben, also die praktisch einen Schwerbehindertenausweis haben von 30 bis 100 Grad – darüber hinaus natürlich noch viele Kolleginnen und Kollegen, die jetzt durch den Arbeitsmediziner Einschränkungen haben. Sei es jetzt zum Beispiel beim Heben von schweren Gegenständen, den sogenannten Kiloschein, das gibt es noch. Zu meiner Funktion, ich bin der Bereichsleiter der Verwaltung. Mir unterstehen die Abteilungen Personalabteilung, Finanzwesen, Öffentlichkeitsarbeit, allgemeine Verwaltung, EDV, Kundencenter mit Beschwerdemanagement und teilweise übe ich noch die Funktion der stellvertretenden Amtsleitung für die Stadt XXX aus im Bereich Friedhof. Also schon ein bisschen umfangreicher.
GINKO:
Sie haben gesagt, 17 Prozent Mitarbeiter mit Schwerbehinderung. Mit Hörbehinderung, wie sieht das da aus?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Die Kolleginnen und Kollegen mit Hörbehinderung stellen bei uns die zweithöchste Gruppe der Eingeschränkten dar. Wir haben aktuell fünf Leute, die eine Gehörschädigung haben. Wobei jetzt der Herr XXX die einzige Person ist im Bereich Verwaltung, der Rest der Kollegen verteilt sich auf die Grünpflege, Straßenreinigung und Abfallbeseitigung.
GINKO:
Welchen Kontakt haben Sie zu den Mitarbeitern mit einer Hörbehinderung? Wo gibt es Schnittstellen?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Das ist sehr unterschiedlich. Die Kollegen, die im operativen Geschehen bei uns beschäftigt sind, mit denen habe ich vielleicht monatlich einmal Kontakt, was jetzt den Kollegen XXX betrifft, mehrmals täglich.
GINKO:
Können Sie noch ein bisschen beschreiben, was Sie da gemeinsam arbeiten?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also dadurch, dass der Bereich Finanzen schon einmal zu mir gehört und der Teil Finanzen natürlich das A und das O ist, da wir ja für unsere Bedürfnisse alle unsere finanziellen Mittel erwirtschaften und der Herr XXX hier eine Schlüsselfunktion hat, das heißt, ich bespreche mit ihm alle Ausgaben, wir haben ständig Kontakt durch eingehende Rechnungen, wir haben Kontakt über Buchungen die vorgenommen werden müssen. Wir arbeiten eng zusammen bei Jahresabschlüssen, wir arbeiten ständig zusammen für die Wirtschaftspläne, die wir aufstellen. Das ist ein Prozess einen Wirtschaftsplan aufzustellen oder einen Jahresabschluss zu produzieren, der geht ja über Monate. Und da ist es unerlässlich, dass wir Tage haben, wo wir Sitzungen gemeinsam durchführen oder es ist die Kommunikation in seinem oder meinem Büro betreffend irgendwelche Buchungen, ja, letztendlich.
GINKO:
Sie haben ja auch die anderen Mitarbeiter angesprochen, vier weitere hörbehinderte Mitarbeiter. Da sagten Sie, Sie haben so etwa einmal im Monat Kontakt. Was machen Sie da?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Das ist im Endeffekt ein reines kommunikatives Austauschen. Fängt bei einem „Hallo“ an, kann aber auch sein, dass ich mich nach ihrem Befinden oder nach ihren Bedürfnissen erkundige. In der Regel arbeiten die in ihrer eigenen Arbeitsgruppe, sie haben einen eigenen unmittelbaren Vorgesetzten. Und so sind die Berührungspunkte da natürlich wesentlich geringer als bei dem Herrn XXX. Das ist oftmals, das freundliche „Hallo“, das morgendliche Begrüßen oder wenn wirklich jetzt mal besondere Wünsche anstehen, was extrem selten ist, von den Personen. Beispiel aus jüngster Zeit. Ja, das war gerade gestern, dass ein Kollege einen Antrag stellt für ein neues Hörgerät und möchte halt, dann auch mal ein Gehaltsvorschuss da dafür. Weil er bekommt ja nur einen Teil erstattet von den öffentlichen Trägern, Krankenkasse. Und jetzt hat er uns gebeten, dass wir ihn dann praktisch finanziell beim Einkauf für ein neues Hörgerät unterstützen. Was wir dann auch getan haben.
GINKO:
Die Mitarbeiter mit einer Hörbehinderung, welche Rolle spielen sie hier im Betrieb?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also wenn ich jetzt mal als erstes abziele auf den Herrn XXX, dann ist der Herr XXX für uns eine vollwertige Arbeitskraft ohne Einschränkung. Natürlich ist er gehörlos, natürlich haben wir uns alle gegeneinander darauf eingestellt, beidseitig. Sie sind für uns genauso eine Säule wie jeder andere Kollege auch. Meinem Wissen entsprechend gibt es bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grünpflege da auch kein Leistungsunterschied zu den Kollegen, die jetzt nicht gehörlos sind. Also sie sind praktisch gleichwertige Kolleginnen und Kollegen bei uns.
GINKO:
Welche Positionen haben denn die Mitarbeiter mit Hörbehinderung?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also, der Herr XXX ist praktisch in der Funktion eines stellvertretenden Abteilungsleiters im Bereich Finanzwesen. Diese Tätigkeit führt er eigenverantwortlich aus mit den gleichen Kompetenzen wie jeder andere auch. Die Kollegen von Herrn XXX mit gleicher Behinderung bei der Grünpflege sind eingesetzt für die Unterhaltung der Grünanlagen. Das heißt, sie üben dort gärtnerische Tätigkeiten aus. Und ein Kollege bei der Straßenreinigung arbeitet im öffentlichen Bereich und führt auch dort die identischen Reinigungsmaßnahmen durch wie alle anderen auch. Das heißt, sie werden entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer Möglichkeiten eingesetzt, was aber auch auf die anderen Mitarbeiter bei uns zutrifft.
GINKO:
Sie sagten, diese vier Kollegen, die im Außendienst, im operativen Bereich arbeiten, die haben dann jeweils noch einen direkten Vorgesetzten. Das heißt also da ist keiner in einer Vorgesetztenposition?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Wir haben noch einen Kollegen, der ist stellvertretender Kolonnenführer in der Grünpflege. Also sprich er ist auch schon in der Funktion, dass er wiederum anderen vorgesetzt ist in erster Stufe, ja. Aber die übrigen sind im normalen Kollegenkreis mit dabei.
GINKO:
Können Sie sagen, warum beschäftigen Sie in Ihrem Betrieb Menschen oder Mitarbeiter mit einer Hörbehinderung?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also wir haben uns es natürlich nicht zur Aufgabe gemacht jetzt Leute mit einer Gehörbehinderung oder auch einer anderen vorgreiflich einzustellen. Wir haben aber auch nie gesehen, dass wir Leute, die jetzt so ein Handicap mit sich tragen müssen, nicht einstellen. Es gibt natürlich Bereiche, gehen wir jetzt mal in die Verkehrssicherung, wo die Leute im öffentlichen Verkehr arbeiten müssen. Die würde ich für problematisch erachten, weil einfach da die Gefahr besteht, herankommende Fahrzeuge et cetera nicht wahrnehmen zu können, was vielleicht für deren Gesundheit dringend wichtig ist. Aber im Übrigen können wir inklusive Betriebsleitung keinen negativen Punkt sehen, Leute mit einer Hörbehinderung bei uns im Betrieb zu beschäftigen.
GINKO:
Können Sie sagen, wie es dazu kam, dass diese Mitarbeiter hier beschäftigt werden?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also sicherlich hängt das ein bisschen mit der Historie zusammen. Man darf nie vergessen, dass natürlich gerade der öffentliche Dienst in unseren Augen auch eine besondere Verpflichtung hat gegenüber Menschen, die grundsätzlich eine Beeinträchtigung mit sich bringen. Was wir von unserer Seite auch schon immer unterstützt haben. Aber im Bewerbungsverfahren bekommen wir natürlich dann auch Bewerbungen, wo ein Schwerbehinderungsgrad, sei es jetzt die Gehörlosigkeit oder was anders ist, wenn wir erkennen, wie es ja auch vom Gesetz gefordert wird, dass diese Funktion, diese Tätigkeit auch durch eine Person ausgeführt werden kann mit Behinderung, dann ist es klar, dass wir natürlich auch auf diese Person zurückgreifen, ja. Umgekehrt was die Historie betrifft war es natürlich früher so, dass ja auch oft noch die Städte kommunale Träger der Sozialhilfe waren und man hat natürlich auch im öffentlichen Dienst gerade bei der Stadtverwaltung einen besonderen Auftrag gesehen, diesem Personenkreis auch eine besondere Chance einzuräumen, um natürlich auch für die Privatwirtschaft ein Signal zu setzen. Man kann durchaus auch mit Leuten, die eine Beeinträchtigung haben, eine phantastische Arbeit erzielen.
GINKO:
Nehmen wir mal an, ein Bewerber mit Hörbehinderung interessiert sich für eine Stelle im Betrieb, wie verläuft der Bewerbungsprozess?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also bei freien Ausbildungsplätzen gibt es natürlich die besonderen Ausschreibungen, sei es örtliche Presse, es gibt Plakatwerbung. Wir nehmen teil an Ausbildungsmessen, wir stellen unsere offenen Stellen ins Netz und bekommen erst einmal in der Regel 80 Prozent der Bewerbung durch das klassische Bewerbungseinreichungsverfahren, mit entsprechenden Unterlagen auf dem Postweg. Das hat sich in den letzten Jahren etwas verlagert, das man sagen kann 20 Prozent kommt per Initiative. Das heißt auch per Mail wird an uns gerichtet. Dann sichten wir die Unterlagen, natürlich schon bezogen auf diese Stelle, die wir ausschreiben, laden den Bewerberkreis, der in die Auswahl kommt, zu einem Vorstellungsgespräch ein, unter Beteiligung aller Gremien, die zuständig sind. Das heißt, der jeweilige Vorgesetzte, ein Vertreter der Personalabteilung. Wenn wir schon anhand der Bewerbungsunterlagen entnehmen können, dass eine Schwerbehinderung vorliegt ist natürlich auch schon ein Vertreter der Schwerbehindertenvertretung bei diesem Gespräch dabei und natürlich auch jemand vom Personalrat. Wir besprechen dann natürlich einmal die Qualifikation, wir versuchen die Eignung herauszufinden und fragen natürlich auch den oder die Betroffene, ob er sich das zutraut und dann gibt es im Gremium zwischen Betriebsleitung und Personalvertretung eine Entscheidung. Und dann kommt es letztendlich zur Einstellung. Das ist jetzt mal der reine Ablauf.
GINKO:
Wer entscheidet, ob der Bewerber dann eingestellt wird oder nicht?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Ich würde sagen, das ist eine Entscheidung, die wird im Gremium getroffen, wo man sagen könnte, der unmittelbare Vorgesetzte darf 50 Prozent entscheiden, weil er ja auch mit dieser Person zukünftig arbeiten wird. 30 Prozent würde sich der Vertreter der Personalabteilung vorbehalten wenn er sehen würde, dass aufgrund der Unterlagen vielleicht das eine oder andere noch zu hinterfragen wäre oder Unstimmigkeiten jetzt in den Lebensläufen vorhanden wären und natürlich maßgeblich auch die Personalabteilung, beziehungsweise die Personalvertretung. Ja, also die Personalvertretung bei uns im Betrieb und da schließe ich mal die Schwerbehindertenvertretung mit ein, sind sehr stark im Boot. Und es ist für uns auch wichtig, dass wir einen breiten Konsens zwischen diesen drei Stellen bekommen, dass wir sehr stark immer auf ein Einvernehmen hinarbeiten, was uns in den letzten Jahren auch durchweg gelungen ist.
GINKO:
Sie sagten, Sie prüfen dann, ob der Bewerber geeignet ist. Wie prüfen Sie das?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Wenn es erkennbar ist, dass die, also wir gehen davon aus, dass natürlich die Qualifikation, sonst wäre er ja gar nicht vorgeladen worden zu einem Bewerbungsgespräch schon einmal vorhanden ist. Aber das persönliche Bild ist im Endeffekt ja das Maßgebliche. Das heißt, sollten wir merken, dass es vielleicht Handicaps geben könnte, die wir noch nicht wussten und wüssten, das die Arbeit aber medizinisch begründet, ihn belasten würden, was sich im Gespräch ergibt oder was durch die Körperhaltung und so viele andere Punkte, dann würden wir das auch deutlich ansprechen und würden das sagen, dass wir glauben, dass er geeignet ist oder nicht geeignet ist. Wir berücksichtigen natürlich auch in was für ein menschliches Umfeld soll der zukünftige Mitarbeiter eingesetzt werden? Wo kommt er rein? Passt er von seinem persönlichen Auftreten dazu? Weil für uns auch ja das Betriebsklima eine sehr hohe Priorität hat. Das sind an und für sich Dinge, die stellen Sie erst im Gespräch fest, die können Sie anhand der Aktenlage wenig beurteilen. Es ist natürlich auch klar, dass jeder Mensch – das ist auch legitim – sich natürlich in der schriftlichen Bewerbung erst einmal sehr positiv darstellt. Umgekehrt gibt es natürlich auch sehr sehr viele Menschen, die haben eine nicht so perfekte schriftliche Ausdrucksweise, kommen aber im Gespräch total gut rüber. Oder es ergeben sich dort Qualifikationen, die er selber gar nicht auf Papier gebracht hat. Und das sind die Punkte, die wir an und für sich werten.
GINKO:
Welche Bedenken haben Sie, wenn sich jetzt ein hörbehinderter Bewerber auf eine Stelle bewirbt?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Grundsätzlich überhaupt keine am Anfang. Es könnten sich nur daraus welche ergeben, wenn wir feststellen würden, dass er aufgrund seiner Hörbehinderung Gefahr laufen könnte, sich zu verletzten. Das ist für uns das A und O. Wir haben allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber ja eine Fürsorgepflicht. Wenn heute jemand im öffentlichen Verkehrsraum arbeitet oder vielleicht auch im Bereich Kanal, wo einfach Sicherheitsbestimmungen vorherrschen… Bleiben wir im Bereich Kanal: Wenn einer heute in die Tiefe steigt und könnte Kommandos nicht verstehen und da unten gibt es ja gewisse Faulgase, dann wäre das für uns ein Aspekt zu sagen, dass er diese Tätigkeit aufgrund seiner Behinderung vielleicht nicht ausüben könnte, aber letztendlich zu seinem und zu unserem Schutz natürlich. Das würden wir darüber stellen. Andere Einschränkungen sehe ich persönlich erst einmal relativ geringwertig.
GINKO:
Wenn Sie jetzt vor der Situation stehen würden: Sie hätten einen hörbehinderten Bewerber auf eine Stelle und einen nichthörbehinderten Bewerber. Beide gleichqualifiziert, wie würden Sie sich entscheiden?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Bei gleicher Qualifikation! So wie im Falle von Herrn XXX, wir würden den einstellen.
GINKO:
Sehen Sie Möglichkeiten, das Gefährdungspotential, welches aus technischen Schwierigkeiten oder aus der Arbeitsplatzsituation heraus entsteht, in irgendeiner Form zu kompensieren?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Solange man das durch optische Reize ausgleichen könnte, gibt es mit Sicherheit Hilfsmittel, sei es jetzt für uns – das haben wir ja auch – wir haben Einrichtungen, wo Blinklichter leuchten zur Sicherheit, dass praktisch das Schließen der Tore nicht nur über das Gehör wahrzunehmen sind, sondern durch die Optik. Da kann man einiges tun, ohne Zweifel. Es gibt aber vermutlich auch technische Grenzen. Bleiben wir jetzt mal bei dem Kollegen, der wirklich im öffentlichen Straßenverkehr an der Hauptstraße arbeitet und jetzt bei uns gerade speziell dort grünpflegerische Arbeiten ausführt. Wenn Sie da von einem Fahrzeug, was hupt oder ein vielleicht Signalhorn trägt, vom Rücken her angefahren werden, nicht wahrnehmen können, dann würde ich die Gefahr als zu groß erachten. Ganz klar.
GINKO:
Karriere im Unternehmen: Welche Entwicklungsmöglichkeiten ergeben sich für Ihre hörbehinderten Mitarbeiter im Betrieb?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Fast unbegrenzt. Ich würde sagen, dass aufgeteilt in den Bereich Verwaltung vermutlich die Grenze liegen würde bei der Betriebsleitung. Weil die Betriebsleitung natürlich wiederum der Kommunalpolitik berichterstattend tätig ist und da die Teilnahme an Sitzungen erforderlich macht. Da würde es nicht reichen, dass man dort die Unterlagen nur in schriftlicher Form präsentiert. Weil es sind öffentliche Anhörungen mit den Bürgern, mit der Politik. Da würde ich sagen, wäre vermutlich in unserem Hause eine Grenze gesetzt. Was jetzt die gewerblichen Kollegen betrifft, so könnte ich mir vorstellen, dass auch dort die Begleitung einer Abteilungsleiterfunktion völlig unproblematisch sein könnte.
GINKO:
Wäre es denkbar, dass man auch in der Position als Betriebsleiter die Hörbehinderung in irgendeiner Form kompensieren könnte?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also vorweg, es war ja meine persönliche Einschätzung aufgrund der Situation, wie Sie praktisch bei so einer Funktion, in so einem Betrieb ist. Es wäre natürlich denkbar, dass der Betriebsleiter kommunizieren würde über einen Dolmetscher. Theoretisch möglich, setzt praktisch voraus, dass natürlich diese Person dann auch rund um die Arbeitszeit bei diesem gehörlosen Betriebsleiter wäre. Dann wäre das mit Sicherheit machbar. Wäre das nicht der Fall, würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass ein ganzes Stadtparlament ja dann die Gebärdensprache kennen müsste und ich glaube nicht, dass das zu unserem jetzigen Zeitpunkt realitätsnah ist. Also wenn ich mir vorstelle, ein Bürgermeister, ein Betriebsleiter oder auch unsere Bundeskanzlerin würde jetzt in Gebärden im Bundestag, so müssen Sie das mal runter brechen auf die Kommune. Ich glaube, das wäre bestimmt ein schöner Gedanke für die Zukunft, aber im Moment würde ich es für unrealistisch halten.
GINKO:
Welche Voraussetzung muss denn ein hörbehinderter Mitarbeiter Ihrer Meinung nach mitbringen, um eine Leitungsfunktion ausfüllen zu können?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Das kommt darauf an, in was für einem Stadium er natürlich zu uns gelangt. Kommt er jetzt als Mitarbeiter wie der Herr XXX, der mal eine Ausbildung begonnen hat, liegt es natürlich auch an der Person selbst. Das betrifft aber nicht nur die Gehörlosen, sondern das können Sie im Endeffekt kopieren auf jeden anderen Kollegen oder Kollegin auch. Sollte ein Mitarbeiter eine höherwertige Qualifikation anstreben und damit natürlich auch eine besser dotierte Stelle und auch eine gewisse Leitungsfunktion, muss er natürlich die Bereitschaft mitbringen, sich fortzubilden. Wir müssen sehen, dass er das möchte und dann fördern wir das natürlich auch entsprechend. Aber das würde für jeden anderen Kollegen auch gelten. Also sprich, wir sagen nicht vom ersten Tag an, wenn jemand zu unserem Betrieb stößt, „Das wird mal der zukünftige Abteilungsleiter sein.“, das wissen wir nicht. Das gilt aber für gesunde Menschen genauso. Also sprich, Entwicklungsmöglichkeiten gerne und ja unter der Voraussetzung, dass natürlich der intellektuelle Teil gegeben ist und natürlich auch das Bestreben, der Fleiß und das eigene Wollen. Ganz klar.
GINKO:
Ein hörbehinderter Mitarbeiter möchte bei Ihnen im Betrieb ein neues Aufgabenfeld übernehmen. Welche Möglichkeiten hat er denn da?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Er würde sich an seinen Vorgesetzten wenden. Er würde das mit seinem Vorgesetzten besprechen, der Vorgesetzte würde eine Einschätzung der Fähigkeiten seiner Person vornehmen und würde das mit Sicherheit in die nächste Abteilungsleiter-, Bereichsleiterrunde einbringen. Sollten die Möglichkeiten bestehen, sowohl von der Person als auch vom Tätigkeitsfeld, wir also natürlich auch eine entsprechende Stelle hätten, die zu besetzen wäre, wäre das ein gangbarer Weg. Sollte es noch Qualitätsbedarf geben, dann müssten wir abklären, inwieweit das zu erzielen wäre und mit was für Mittel. Aber grundsätzlich ist das kein abwegiger Vorgang.
GINKO:
Welche Rolle würde in so einem Fall die Hörbehinderung spielen, wenn Sie überlegen, welchen Aufgabenbereich könnte dieser Mitarbeiter übernehmen?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also wir können jetzt hier wieder die Gefahrenbereiche wegnehmen, dann kann ich mir praktisch in unserem Betrieb jede Funktion vorstellen. Ausgeklammert jetzt mal die Betriebsleitung ganz oben. Aber auch meine Funktion, warum sollte es nicht irgendwann einen gehörlosen Bereichsleiter geben? Also ich hätte da keine Probleme mit.
GINKO:
Welche Qualifizierungsmaßnahmen stehen hörbehinderten Mitarbeitern zur Verfügung?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also wir sind ein sehr freundlicher Betrieb, was Fortbildungen betrifft. Das heißt bei uns gibt es interne Fortbildungen, wir legen alle externe Fortbildungsprogramme die uns übersandt werden, öffentlich aus, beziehungsweise wir geben sie in Umlauf. Sei es jetzt für die Verwaltungsleute über die Verwaltungsakademien, was den gewerblichen Teil betrifft gibt es Fachbroschüren von den Gartenbaugesellschaften. Wir haben Fortbildungen im KFZ-Handwerk, wir haben Fortbildungen in dem Schlossereibereich. All das, was an uns heran getragen wird, stellen wir allen Mitarbeitern vor. Wir geben das auch regelmäßig an deren Vorgesetzte weiter, damit die das auch zu den Kollegen nach unten bringen können. Und wir bekommen auch im Durchschnitt drei bis fünf Anträge aus der Belegschaft pro Jahr. Das heißt, sie haben sich selber schlau gemacht bei anderen Bildungsträgern, sie haben die Informationsbroschüren von uns wahrgenommen. Sie kommen auf uns zu und bitten darum, dass sie sich gerne weiterbilden möchten, fortbilden möchten. Wir fordern sie dann auf, das zu konkretisieren. Wenn das passend ist, auch für uns für die Zukunft gesehen, dann kommt es in der Regel zu einem positiven Ausgang, dass letztendlich mit Unterstützung des Betriebes und mit Unterstützung zum Beispiel des Integrationsamtes dann auch Fortbildungen bis hin zum Abschluss zustande kommen. Das tun wir für die Gesamtbelegschaft und schließen da Hörbehinderte überhaupt nicht aus.
GINKO:
Also Sie sagten vier, fünf Anträge kommen direkt von den Betroffenen, meinen Sie jetzt die hörbehinderten Mitarbeiter?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Insgesamt.
GINKO:
Wie werden denn diese Angebote von den hörbehinderten Mitarbeitern genutzt?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also da muss man jetzt ganz offen sagen, dass der Herr XXX der erste war, der auf uns zu gegangen ist. Die Kollegen im gewerblichen Bereich nutzen diese Möglichkeit nicht, zu mindestens bisher, leider. Aber ist natürlich auch immer verbunden mit der Persönlichkeit der Person, die sowas vorhat. Das ist natürlich jetzt in diesem Falle von Herrn XXX besonders ausgeprägt gewesen. Es gibt viele, und das stellen wir natürlich auch fest, und da arbeiten wir auch immer dran, die sich vielleicht in der einen oder andern Kolonne aufgrund ihrer Gehörlosigkeit im Bereich Grün vielleicht ein bisschen distanzieren. Wenn wir das aber merken, greifen wir dort ein.
GINKO:
Als positives Beispiel haben Sie gerade Herrn XXX genannt. Soweit ich weiß hat er den Betriebswirt als Weiterbildung machen wollen, wie war das?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also bei dem Herrn XXX da kommen natürlich gewisse Komponenten zusammen. Er ist erst einmal sehr intelligent, er ist sehr fleißig, er kann sich bestimmt von den Gehörlosen noch am besten ausdrücken, er bringt alle Emotionen rüber sowohl im positiven als auch im negativen Sinne, Sie wissen als sein Gegenüber ständig wo Sie dran sind. Und dann kam jetzt in unserem besonderen Fall hinzu, dass wir uns kennengelernt haben 1992 als der Herr XXX bei der Stadtverwaltung seine Ausbildung begonnen hat. Damals hatten wir schon eine gewisse Zeit zu tun. Wir waren dann beruflich einige Jahre getrennt und wurden dann im Rahmen der Zusammenlegung beim Eigenbetrieb wieder zusammengeführt. Der Herr XXX hat irgendwann zu erkennen gegeben, dass er mit seinem Tätigkeitsfeld nicht ausgefüllt ist, dass er davon überzeugt ist, dass er mehr leisten kann. Er hat auch unmissverständlich ausgedrückt, dass er mehr leisten möchte, er hat uns darüber hinaus auch ganz klar gemacht, dass er der richtige Mann ist. Er hat sich selber sein Ausbildungs- beziehungsweise Fortbildungsprogramm zusammengestellt, hat dann eines Tages präsentiert, dass er gerne den Verwaltungsfachwirt machen möchte, was sich allerdings durch eine Erkrankung leider zerschlagen hat. Nach seiner Genesung ist er das Projekt angegangen mit seinem betriebswirtschaftlichen Studium. Wir haben das durchgesprochen, wir haben gemeinsam mit dem Integrationsamt ausgelotet, was er für Unterstützung bekommt durch das Integrationsamt. Wir haben ausgelotet, was wir ihm bieten können, das heißt wir haben ihn auch finanziell unterstützt, die Fahrtkosten übernommen, uns an Übernachtungskosten beteiligt, wir haben das eine oder andere noch an Lehrmitteln, die er benötigt hat, finanziert. Wir haben ihm auch von Anfang an gesagt, dass er bei uns Aufstiegsmöglichkeiten hat, insoweit wusste der Herr XXX auch, dass perspektivisch da was für ihn da ist. Und dann kam es letztendlich dazu, dass der Herr XXX diesen beruflichen Gang wahrgenommen hat. Und ich habe ihn als Person auch während der Zeit immer begleitet und hatte auch Kontakte zu seiner Schule in Stadt XXX. Das ist praktisch jetzt der Werdegang von dem Kollegen gewesen. Aber man muss auch dazu sagen, da kam natürlich der überwiegende Anstoß von dem Herrn XXX und die Leistung von dem Herrn XXX in den zurückliegenden Jahren war schon immer Gegenstand, dass er auch befördert wurde. Also er hat auch schon innerhalb des Betriebes hier Aufstiege erzielt, weil er eine vollwertige Arbeitskraft ist mit besten Arbeitsergebnissen.
GINKO:
Gut. Mein nächster Punkt: Barrieren am Arbeitsplatz. Die Beschäftigung hörbehinderter Mitarbeiter ist nicht alltäglich, welche Herausforderungen ergeben sich dadurch an Ihren Betrieb?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Für die gewerblichen Kollegen im operativen Geschäft haben wir schon gesagt, dass wir natürlich darauf achten müssen, dass sie gewisse Gefahrenquellen erkennen können. Da machen wir das durch optische Lichtsignale. Bei den Toren, bei Gerätschaften wo das machbar ist. Entsprechende Schutzkleidung, das schützt sie zwar, dass sie von anderen besser gesehen werden, aber sie selber haben da jetzt nur einen indirekten Vorteil. Im Bürobereich stellen wir alles das zur Verfügung was technisch auf dem Markt ist, sofern die Mitarbeiter das wünschen jetzt im Verhältnis. Sonstige Barrierefreiheit über das technische hinaus und über diese Sichtmittel können wir natürlich überhaupt nicht bieten, weil ich auch nicht wüsste, was wir jetzt noch mehr tun könnten. Wir haben hier noch eine relativ gute Schwerbehindertenvertretung, wenn es was gibt, oder Möglichkeiten sich ergeben, kommt auch die Schwerbehindertenvertretung auf uns zu und macht uns aufmerksam: „Da könnte man Sicherheitssysteme einbauen, da könnte man optische Systeme einbauen, da würde es die ein oder andere Erleichterung geben.“ Dann würden wir das mit Sicherheit auch umsetzen.
GINKO:
Ich frage vielleicht noch einmal allgemeiner: Inwieweit wirkt sich die Hörbehinderung auf den Arbeitsalltag der Mitarbeiter aus?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Ich glaube, da gibt es keine große Einschränkung und das ist vielleicht das, was den Arbeitsalltag am besten beschreibt. Wenn Sie mit den Kollegen, die eine Gehörschädigung haben, im Rahmen der Möglichkeiten kommunizieren, sei es jetzt in Extremfällen unter Hinzuziehung eines Dolmetschers, sei es im normalen Bereich über das Orale, dass man ihnen natürlich das ganze Gesicht bietet, damit das geht oder notfalls ihm auch eine Mail schreiben oder was notieren, kann ich keine Einschränkung feststellen. Wichtig ist, dass der Mitarbeiter das zu verstehen bekommt, was wir uns erwarten und dann kann er es umsetzen. Wenn ich diese umgehe oder dieses nicht erfülle, ist es klar, dass der Mitarbeiter, der gehörlos ist, natürlich überhaupt nicht den Auftrag ausführen kann, weil ich es ihm nicht vermittelt habe. Insoweit sehe ich da erst einmal die Pflicht bei den Vorgesetzten, sprich bei uns allen.
GINKO:
Nun haben Sie gesagt, so lange Kommunikation mit den hörbehinderten Mitarbeitern im Rahmen ihrer kommunikativen Möglichkeiten stattfindet, gibt es da kein Problem. Stehen diese Hilfsmittel, die Sie genannt haben, technische Hilfsmittel aber auch personelle, also das heißt Dolmetscher, stehen die denn auch entsprechend zur Verfügung?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Uneingeschränkt. Also es gibt bei uns keine Teambesprechungen, keine großen Sitzungen, keine Betriebsversammlungen, keine Personalversammlungen, wo wir keine Dolmetscher einsetzen. Außerdem sind die Büroarbeitsplätze, in dem Fall jetzt der Platz von Herrn XXX, so ausgestattet, dass er natürlich über einen PC verfügt, dass wir untereinander mailen können, der Herr XXX hat noch ein Handy, dass es auch per SMS geht und sofern der Herr XXX sich wünschen würde, würde der auch noch weitere Gerätschaften bekommen, die ihm den Arbeitsalltag erleichtern würden. Also mir ist es jetzt nicht bekannt, dass es noch Sachen geben könnte, die jetzt das kommunikative Umfeld noch verstärken könnten. Wenn das so wäre, dann sind die Kollegen natürlich auch ein Stück selber gefordert auf uns drauf zuzugehen und zu sagen: „Da gibt es den einen oder den anderen Punkt, den könntet ihr mir erfüllen und dann wäre es noch einfacher für mich mit Ihnen zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren.“ Also ich glaube, dass wir schon relativ weit sind und ich bin mir sicher, dass wir nur soweit sind, weil die hörgeschädigten Kollegen das bei uns auch eingefordert haben und zu Recht.
GINKO:
Wie erfahren Sie von diesem Unterstützungsbedarf?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Bei uns und ich denke mal den Eindruck haben Sie vielleicht ja heute auch gewinnen können, ist es so, dass unabhängig von der Funktion jeder Kollege das äußern kann, was er braucht oder benötigt und wir darüber hinaus glücklicherweise über eine sehr, sehr starke Personalvertretung auch verfügen, aber in erster Linie, die Kollegen auf uns zu gehen und ihre Wünsche äußern und wenn es jetzt nicht der berüchtigte rosa Elefant ist, sind wir auch in der Lage aufgrund unserer positiven Betriebsergebnisse, die auch durch Kollegen wie den Herrn XXX beigetragen werden, die ja gehörgeschädigt sind, dass wir auch Investitionen vornehmen können, ohne dass wir da jetzt lange Antragswege gehen. Also wir sind da relativ spontan und darauf sind wir stolz und ich glaube, darauf sind auch unsere gehörlosen Kollegen stolz und was wir tun können, tun wir gerne, weil letztendlich das ja auch zu unserem Vorteil ist.
GINKO:
Woher erhalten Sie Hilfe bei der Förderung Ihrer hörbehinderten Mitarbeiter?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also Hilfe haben wir nach meiner Kenntnis bisher noch nicht in Anspruch genommen. Also wir wenden natürlich uns an das Integrationsamt für die Vermittlung der Dolmetscher. Wir haben selbstverständlich Hilfe des Integrationsamtes in Anspruch genommen bei der Finanzierung des Studiums von Herrn Schneider. Hilfe im täglichen Umgang, das haben wir aus Eigenmitteln gemacht, weil letztendlich wir auch den einen oder anderen Behördenweg mit Absicht nicht gegangen sind, weil er uns zu umständlich erschien.
GINKO:
Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht, wenn Sie das so ansprechen?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also es gibt zwei Sachen. Das ist einmal die Erfahrung, und da kann ich jetzt die Dolmetscherinnen unterstützen, dass es schwierig ist manchmal, vor allen Dingen wenn es spontan ist, Dolmetscher zu bekommen. Ich glaube die Zahl ist zu gering. Da haben wir uns schon mal darauf verständigt, dass wir sogar privat jemanden gesucht haben. In den anderen Bereichen wüsste ich jetzt kein Negativbeispiel, was jetzt die Gehörgeschädigten betrifft. Ich weiß auch, dass der Herr XXX für sein Studium wohl relativ großzügig da unterstützt wurde seitens des Integrationsamtes. Zumindest wurden an uns jetzt auch keine weiteren Wünsche herangetragen, obwohl wir explizit gefragt hatten.
GINKO:
Ich habe es nicht ganz verstanden: Sie sagten, Sie haben jetzt auch mal privat gesucht nach Dolmetschern. Wo ist da der Unterschied?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Ja also normalerweise melden wir uns ja beim Integrationsamt und sagen: „Wir haben dann und dann einen Termin, wir bräuchten da mal Dolmetscher.“ Und dann wird uns gesagt: „Ja, Sie bekommen eine Mitteilung.“ Der Termin der Sitzung kommt näher und näher, wir haben immer noch keine Mitteilung, dann heißt es, aufgrund dessen, dass viele Termine sind oder auch mal eine Erkrankung, das kann ja durchaus passieren „können wir Ihnen an dem Tag niemanden zur Verfügung stellen“. Dann finde ich das bedauerlich, wenn wir das teilweise vier bis sechs Wochen vorher angemeldet haben und können dann halt keinen Dolmetscher bei uns begrüßen. Jetzt gibt es das Problem, dass wir natürlich Termine vereinbaren, wo dann teilweise 100 Leute daran teilnehmen. Das heißt, ich kann jetzt schlecht diese Versammlung wegen eines fehlenden Dolmetschers verschieben. Das geht nicht. Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten. Ich müsste die gehörlosen Kollegen von der Information abschneiden, was ich nicht möchte. Oder ich frage die Gehörlosen selbst, ob sie jemanden kennen, der jetzt privat halt in der Lage ist zu übersetzen und wir übernehmen dann die Kosten. Das ist zum Glück bisher sehr selten vorgekommen oder einmal aber es gab es leider schon, ja.
GINKO:
Die Unterstützung durch das Integrationsamt bei der Weiterbildung von Herrn XXX. Sie sagten, da wurde er ziemlich stark unterstützt. Unterstützt heißt mit Dolmetschern oder wie war das?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Die Unterstützung, die mir bekannt ist, die der Herr XXX erfahren hat, war erst einmal grundsätzlich das, dass da eine Kostenbeteiligung da war seitens des Integrationsamtes. Dass man auch gesagt hat, man übernimmt noch Kosten für einen Laptop, den er zu schulischen Zwecken einsetzen kann. Seitens Dolmetscher wurde nach meinem Kenntnisstand keine Leistung gewährt. Die war in meinen Augen aber auch nicht erforderlich, weil diese Berufsakademie beziehungsweise Schule, die er besucht hat, ja entsprechend ausgerüstet ist. Was die Formalitäten betroffen hat, die Antragstellung, die erfolgte ja in schriftlicher Form, die wurde ja auch mit dem Integrationsamt mit meiner Person abgestimmt. Da könnte ich jetzt nicht von Schwierigkeiten berichten, das wäre jetzt nicht fair, ja.
GINKO:
Der letzte Punkt sind die gesetzlichen Vorgaben. Das SGB IX und die UN-Behindertenrechtskonventionen sind nun seit mehreren Jahren in Kraft. Welche Auswirkungen auf Ihren Betrieb, beziehungsweise auf Ihre hörbehinderten Mitarbeiter sehen Sie?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Also jetzt Auswirkungen, die uns in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigen sehe ich gar keine. Allerdings bin ich vermutlich nicht kompetent genug, dazu etwas zu sagen. Darum kümmert sich die Personalabteilung.
GINKO:
Ich frage noch mal etwas konkreter nach. Vielleicht erst einmal, inwiefern nutzen Ihre hörbehinderten Mitarbeiter ihre besonderen Rechte?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Rechte fordert man dann ein und das völlig zu Recht, wenn sie einem nicht gewährt werden. Dadurch dass wir von Anfang an die Türen öffnen und wir glauben auch, dass wir praktisch alle Maßnahmen und Rechte zur Verfügung stellen, gibt es bei uns vermutlich auch relativ wenig zu beanstanden. Die Kollegen, die irgendeinen Anspruch haben, den wir von unserer Seite aus nicht von vornherein umsetzen, würden natürlich auch ihre Belange bekommen. Also sprich, ich wüsste jetzt nicht, dass unser Betrieb so aufgestellt ist, dass wir irgendwelche Maßnahmen nicht umsetzen. Wenn wir feststellen, sei es durch Gesetzesblätter oder andere Informationen, dass wir irgendwo rückläufig sind in unserem Unternehmen, wird das angepasst. Unser Betrieb ist auch präventiv in anderen Bereichen soweit vor, dass wir Bundesprojekte unterstützen, dass für jeden ein Fitnessraum zur Verfügung gestellt ist, in Zusammenarbeit mit Krankenkassen. Und natürlich auch ganz stark mit der Schwerbehindertenvertretung und der Herr XXX ist ja auch in seinem Gehörlosenverband sehr stark engagiert, so dass wir an und für sich relativ früh wissen: „Was müssen wir tun? Was müssen wir nicht tun?" Und das wird dann an und für sich auch gleich umgesetzt. Also da wäre es ganz schön und da können wir praktisch die Kollegen nur auffordern, dass sie uns ständig daran erinnern, wenn irgendwas in unserem Unternehmen nicht so wäre, wie es sein müsste.
GINKO:
Also ich höre heraus, dass zum Beispiel Herr XXX auch zu Ihnen kommt, wenn er etwas hat, eine Möglichkeit, einen Rechtsanspruch, der hier noch nicht umgesetzt ist, dann kommt er zu Ihnen hin und Sie arbeiten dann auch daran, das umzusetzen.
Bereichsleiter der Verwaltung:
Ich glaube, dass der Herr XXX für sich, für den Betrieb und für alle anderen gehörgeschädigten Kollegen ein absoluter Gewinn ist. Der Herr XXX fordert und fördert die Gemeinschaft der Gehörlosen in diesem Unternehmen. Ich bin überzeugt, wenn der Herr XXX weiß, dass bei uns irgendwas nicht funktioniert und das mag sich jetzt dumm anhören, ist es nicht zu überhören. Der Herr XXX hat so viele Möglichkeiten sich auszudrücken und das weiß er, dass er seine Rechte bei uns einfordern kann und die auch von seinen Kollegen. Davon sind wir überzeugt. Und das soll er auch tun.
GINKO:
Wo sehen Sie bei den Gesetzen den dringlichsten Änderungsbedarf?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Da sind wir ja wieder bei dem Thema Finanzen in erster Linie. Also ein Punkt ist, wo ich glaube, dass unsere Gesellschaft so stark sein müsste, um irgendwelche Hilfsmittel komplett zu übernehmen. Dann ist die Frage, könnte man die Betriebe mehr verpflichten, Gehörlose einzustellen, könnte man vielleicht so eine Art, wie wir sie jetzt haben, Gefährdungsanalyse haben, in Unternehmen wo man sagt: „Da geht es nicht, begründeter maßen geht es nicht, oder ist jede andere Stelle auch mit einem Gehörlosen zu bekleiden? Das glaube ich wäre so für mich so das Vordergründige, was ich mir als Person wünschen würde.
GINKO:
Welche Möglichkeiten sehen Sie über die Gesetze hinaus, Ihre hörbehinderten Mitarbeiter zu unterstützen?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Ganz klar, mit unseren betrieblichen freiwilligen Mitteln, die wir haben. Das ist einmal, dass wir sagen, wir fangen die finanzielle Not oder die Beeinträchtigung ab. Dann unterstützen wir glaube ich, das betrifft aber nicht nur die Gehörlosen, dass wir Arbeitszeit anbieten, damit sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Versammlungen treffen, um sich auszutauschen, das halten wir auch für sehr wichtig, dass auch aus den verschiedenen Bereichen die Informationen weitergegeben werden. Ja das sind so die vordergründigsten Punkte, die ich jetzt mal sagen könnte, wo wir sehen, wir können natürlich und gegebenenfalls halt, wenn es ganz massiv ist, dann auch psychologisch, das gab es auch schon. Also dass wir dann da fachkompetente Beratung zur Verfügung stellen. Das sind, glaube ich, die drei Säulen.
GINKO:
Wie ist der Austausch mit anderen Betrieben, Behörden, Unternehmen, die ebenfalls Mitarbeiter mit einer Hörbehinderung beschäftigen?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Der wird fast gar nicht praktiziert. Also es gibt in vielen Bereichen bei den Betrieben heute sogenannte Erfa-Gruppen. Das heißt Erfahrungs-Gruppen, die sich treffen. Die treffen sich in dem Bereich Personal, im Bereich Controlling, in Bewirtschaftung, im Bereich Einkauf, in allen möglichen Sparten. Es gibt aber keine mir bekannte Erfa-Gruppe, die sich damit beschäftigt, was und welcher Umgang mit gehörlosen Mitarbeitern im Betrieb… Es ist mir noch nicht einmal bekannt, ob es überhaupt bei uns eine Auswertung gibt, dass wir sagen können, vergleichbare Betriebe oder Betriebe in unserer Art und Güte haben auch Kollegen mit Hörbehinderung. Ich glaube, da wäre noch ein Ansatz, aber da stehen wir vermutlich noch ganz weit hinten. Ja, eindeutig.
GINKO:
Gibt es bei Ihnen irgendeine Form, wie Sie die Erfahrung, das Wissen, was Sie hier gewinnen, mit der Beschäftigung hörbehinderter Mitarbeiter, wie Sie das nachhaltig, also ich sage mal speichern oder weitergeben können?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Sowohl ich als Person als auch der Betrieb haben uns ja erst insbesondere über den Herrn XXX praktisch mit der Gehörlosigkeit auseinandergesetzt. Und letztendlich war auch die von Herrn XXX eingeschlagene Fortbildungsmaßnahme für uns total gewinnbringend. Nicht nur gewinnbringend, dass er heute Betriebswirt ist, sondern dadurch kam ja auch erst einmal der Kontakt zustande mit einer Schule wo Gehörlose eine Fortbildung absolvieren, dadurch kam auch erst mal mit den Lehrkräften der Kontakt auf und es gab sogar den ein oder anderen Kontakt mit damaligen Mitschülern. Vorher wurde das Thema bei uns nicht aufgearbeitet, man hat die Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, nach bestem Wissen und Gewissen und es waren auch keine Alibiarbeitsplätze, um Gottes Willen. Aber letztendlich war die Gehörlosigkeit in dem jeweiligen Betrieb eine geschlossene Angelegenheit. Durch den Herrn XXX und seine Fortbildung und vermutlich auch durch den jüngeren Kollegenkreis, der mittlerweile bei uns im Betrieb vorherrscht, wurde erst einmal die Gehörlosigkeit thematisiert. Vorher war sie vielleicht maximal ein Mitläuferpunkt. Heute ist sie thematisiert, heute hören Sie im Betrieb: „Denkt bitte daran, für die Weihnachtsfeier oder für die Personalversammlung auch einen Dolmetscher mit einzuladen.“ Das war früher einfach bei unseren Köpfen gar nicht verankert. Da gab es zwar schon Gehörlose, aber sie haben einfach, so traurig sich das anhört, man hat den Stellenwert verkannt. Heute ist es bei uns – 40 Verwaltungskräfte – ein Automatismus, dass man sagt: „Wenn wir das und das tun, denkt bitte auch an den Herrn XXX.“ Und umgekehrt gibt es halt auch schon Kollegen und das ist fast zum Schmunzeln, eine kleine Anekdote vielleicht muss auch mal gestattet sein, dass der Herr XXX heute schon so integriert ist in den Betrieb, dass ihm schon Leute Kassetten mitgebracht haben zu hören. Weil seine Gehörlosigkeit hier für uns gar nicht mehr so gegeben ist. Also jeder redet mit ihm, er fragt: „Wo fährst du in den Urlaub? Was macht dein Auto?“ Er ist ein absolut vollwertiger Kollege bei uns hier im Haus. Und das würden wir uns natürlich wünschen, dass das so weitergeht und nicht nur für den Eigenbetrieb Stadt XXX, sondern am besten für jeden in ganz Deutschland. Ist ganz klar.
GINKO:
Zum Schluss gibt es noch einen Ausblick, wir sind ja jetzt im Jahr 2011. Wenn wir mal einen Blick in die Zukunft wagen, wir würden Sie die Situation Ihrer hörbehinderten Mitarbeiter in fünf Jahren einschätzen?
Bereichsleiter der Verwaltung:
Auf die Mitarbeiter, die von sich aus auch den Wunsch und das Bestreben haben, sich zu entwickeln, kann der Weg nur nach oben gehen. Davon bin ich fest überzeugt, dafür werde ich auch alles tun. Wir haben es ohnehin nach wie vor sehr schwer und es wird nicht einfacher in den nächsten Jahren, qualifiziertes Personal zu finden. Die Situation in unserem Land ist klar und man muss die Ressourcen nutzen, die man hat und ich bin überzeugt, dass Gehörgeschädigte genauso die Möglichkeit haben wie gesunde Menschen, sich in Zukunft viel besser im Markt zu platzieren, ganz klar.
GINKO:
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Unternehmen:
Gerne.
Es liegen keine Informationen zur Förderung vor.
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Informationsstand: 05.04.2023