Praxisbeispiel

Kurzbeschreibung:
Ein Interview von REHADAT mit Marco Fien, HR Project Consultant und Programmleiter für das Projekt Autism at Work bei SAP am Standort Deutschland im Rahmen von REHADAT-Wissen Ausgabe Autismus.
Inhalte des Interviews sind die Themenbereiche:
Inhalte des Interviews sind die Themenbereiche:
- Grund für die Einführung des Inklusionsprogramms Autismus at Work bei SAP
- Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Autismus-Spektrum und speziell in IT-Berufen
- Rekrutierung von Personen aus dem Autismus-Spektrum
- Eingliederung in den neuen Job und Vorbereitung der Belegschaft
- Der Umgang Miteinander
- Unterstützung durch externe Fachdienste und -kräfte
- Positive Erfahrungen
- Auftreten von Schwierigkeiten
- Rat an andere Unternehmen zur Beschäftigung von Menschen aus dem Autismus-Spektrum
- Das Motto der Arbeit im Inklusionsprogramm
Das Interview führte REHADAT mit Herrn Fien für REHADAT-Wissen Ausgabe Autismus.
Zur Person und zum Unternehmen:
Marco Fien ist bei SAP als HR Project Consultant tätig und Programmleiter für das Projekt Autism at Work am Standort Deutschland.
Als Marktführer für Software und Softwareservices im Bereich Unternehmensanwendungen beschäftigt SAP mehr als 94.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 130 Ländern.
Als Marktführer für Software und Softwareservices im Bereich Unternehmensanwendungen beschäftigt SAP mehr als 94.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 130 Ländern.
REHADAT:
Warum wurde das Inklusionsprogramm Autism at Work bei SAP eingeführt?
Marco Fien:
Unser Pilotprojekt in Indien, bei dem gezielt Menschen aus dem Autismus-Spektrum eingestellt wurden, machte uns schnell klar, dass ihre analytischen Fähigkeiten und ihr hohes Konzentrationsvermögen in vielen Berufsfeldern sehr gut einsetzbar sind. Autism at Work ist ein stärkenorientiertes Programm. Wir möchten dadurch talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit wertvollen Fähigkeiten für unser Unternehmen gewinnen
REHADAT:
Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Autismus-Spektrum beschäftigen Sie derzeit in Deutschland? Arbeiten diese alle in IT-Berufen?
Marco Fien:
Wir unterstützen aktuell 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Autismus-Diagnose und deren Teams an diversen Standorten. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten in verschiedenen Bereichen, von der klassischen Software-Entwicklung über Service & Support bis hin zur IT-Security. Das Programm gibt es in 13 Ländern. Weltweit hat SAP mehr als 140 Kolleginnen und Kollegen in 24 verschiedenen Job-Profilen eingestellt.
REHADAT:
Wie rekrutieren Sie die Personen?
Marco Fien:
Wir schicken den Bewerberinnen und Bewerbern den detaillierten Ablauf des Vorstellungsgesprächs vorher zu, um Angst und Druck zu reduzieren. Uns sind vor allem ihre Neigungen und ihre Motivation für die Bewerbung wichtig, denn für die Kandidatinnen und Kandidaten ist die Verbindung des Berufes mit ihren Interessen und ihrer Passion essenziell. Beschäftigt sich jemand beispielsweise in der Freizeit nur mit der Tierwelt oder mit Pflanzenkunde, sollte man eine Tätigkeit in diesem Umfeld finden. Nur so kann eine nachhaltige Einstellung gelingen. Nach dem ersten Gespräch nehmen wir die Person in einem Bewerberpool auf.
REHADAT:
Wie gestalten Sie die Eingliederung in den neuen Job? Wie bereiten Sie zum Beispiel die Belegschaft darauf vor?
Marco Fien:
Gemeinsam mit den Buddys der jeweiligen Teams, dem Integrationsfachdienst Heidelberg-Mosbach (IFD), der Schwerbehindertenvertretung und dem SAP Gesundheitswesen gestalten wir geeignete Rahmenbedingungen für unsere Kolleginnen und Kollegen mit Autismus. Die Teams werden durch den Autism at Work „Support Circle“ unterstützt und erhalten zu Beginn ein Teamtraining, bei dem Themen wie äußere Reize, Lärm oder Lichteinflüsse im Büro besprochen werden können. Neben unserem Unterstützungskonzept bietet SAP Autism at Work (AaW) noch regelmäßige Angebote für die Community an wie zum Beispiel die AaW Breakfast-Sessions, AaW Lunch Meetings und Stammtische.
REHADAT:
Wie gehen Sie miteinander um?
Marco Fien:
Wir haben bei SAP eine Kultur der offenen Tür, aber wenn es Beschäftigte mit Autismus stört, bleibt die Tür geschlossen und das Problem ist gelöst. Von solch einer „Kleinigkeit“ können auch andere geräuschempfindliche Kolleginnen und Kollegen profitieren.
Auf den offenen und ehrlichen Umgang miteinander legen wir viel Wert. Bemerkenswert ist, dass sich uns vermehrt Beschäftigte mit Autismus-Diagnose anvertrauen, die bereits vor der Einführung des Programms bei uns gearbeitet haben. Wir schauen, dass sich jede Person wohlfühlt und der Anpassungsdruck abgebaut wird. Sprich: Wir schaffen ein inklusives Arbeitsumfeld, in dem jeder Mensch so sein kann, wie er ist.
Auf den offenen und ehrlichen Umgang miteinander legen wir viel Wert. Bemerkenswert ist, dass sich uns vermehrt Beschäftigte mit Autismus-Diagnose anvertrauen, die bereits vor der Einführung des Programms bei uns gearbeitet haben. Wir schauen, dass sich jede Person wohlfühlt und der Anpassungsdruck abgebaut wird. Sprich: Wir schaffen ein inklusives Arbeitsumfeld, in dem jeder Mensch so sein kann, wie er ist.
REHADAT:
Wie werden Sie von externen Fachkräften unterstützt?
Marco Fien:
Wir haben ein Förderkonzept in Kooperation mit dem KVJS-Integrationsamt und dem örtlichen IFD Heidelberg-Mosbach etabliert. Für die Koordinierungsstelle bei SAP bin ich verantwortlich. Durch diese enge Verzahnung zwischen lokalen IFDs und SAP ist ein einzigartiges Tandemkonzept entstanden, wovon die komplette Zielgruppe unabhängig vom Grad der Behinderung profitiert. Der IFD berät vor Ort - zu psychosozialen Fragen am Arbeitsplatz sowie zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit und der Arbeitsplatzgestaltung, er unterstützt die Schwerbehindertenvertretung beim Anerkennungsverfahren einer Schwerbehinderung, berät zu Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation, zur Förderung und klärt dies mit den zuständigen Kostenträgern ab.
REHADAT:
Welche positiven Erfahrungen haben Sie bislang gemacht?
Marco Fien:
Besonders erfreulich ist, dass wir die ersten jungen Menschen mit Autismus für Ausbildungsgänge und duale Studiengänge eingestellt haben. Beim Übergang von der Schule in den Beruf besteht noch ein großer Nachholbedarf. Wir können damit einen ganz neuen „Pool“ an Talenten erschließen. Die etablierte Programmstruktur bringt aber Vorteile für alle. Die Teams kommunizieren bewusster und direkter miteinander. Sie nehmen mehr Rücksicht und versuchen, Doppeldeutigkeiten und Metaphern zu vermeiden. Durch die klare Sprache werden Meetings strukturierter, der Zusammenhalt im Team erhöht sich und neue kreative Ideen entstehen. SAP möchte natürlich möglichst viele verschiedene Perspektiven und Denkweisen in den Arbeitsalltag einbeziehen.
REHADAT:
Welche Schwierigkeiten treten häufiger auf?
Marco Fien:
Typische Herausforderungen sind vor allem Veränderungen im Unternehmen, auf die wir als Autism at Work Team nur bedingt Einfluss haben. Dies können beispielsweise Reorganisationen, Wechsel des Managements oder Umzüge von kompletten Abteilungen sein. Mit dem IFD bieten wir individuelle Hilfestellungen für die betroffenen Beschäftigten und Teams an. Durch die Erfahrungen in einem mittlerweile global etablierten Programm findet auch ein reger Austausch zwischen den einzelnen Ländern statt, um so voneinander zu lernen und „best-practices“ auch lokal anzuwenden.
REHADAT:
Was würden Sie anderen Unternehmen raten, die Menschen mit Autismus beschäftigen möchten?
Marco Fien:
Entgegen dem allgemeinen Klischee ist nicht jeder Mensch mit Autismus das geborene IT-Genie. Und das ist auch völlig in Ordnung! Jeder Mensch ist anders und hat verschiedene Stärken. Wir möchten Unternehmen in anderen Branchen motivieren, ähnliche Programme zu starten. Es lohnt sich, denn der Bedarf am Arbeitsmarkt ist weiterhin groß. Gerade am Anfang ist es aber wichtig, externe Expertise zu nutzen und sich von diversen Netzwerken und von den Menschen mit Autismus selbst ein Feedback geben zu lassen.
REHADAT:
Haben Sie für Ihre Arbeit ein Motto?
Marco Fien:
Jeder Mensch kann durch sein eigenes Handeln Veränderungen bewirken und im Miteinander entscheiden, inwiefern eine Behinderung zu einer tatsächlichen Behinderung für den Menschen wird - oder wie Albert Einstein sagte: „Jeder ist ein Genie! Aber wenn du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“
Es liegen keine Informationen zur Förderung vor.
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Referenznummer:
Pb/111072
Informationsstand: 20.03.2023