Praxisbeispiel
Mitarbeiterinnen in einem Hotel der Cölner Hofbräu P. Josef Früh KG

Wo lag die Herausforderung?

Das Unternehmen suchte aufgrund des Fachkräftemangels Beschäftigte. Aus diesem Grund beabsichtigte das Unternehmen mit Hilfe eines Projektes zwei seit längerer Zeit arbeitslose Frauen mit einer Hörschädigung für das Housekeeping zu qualifizieren und eventuell einzustellen. Beide Frauen können akustische Informationen nicht mehr wahrnehmen, aber beherrschen das Lippenlesen.

Was wurde gemacht?

Die Frauen absolvierten zunächst ein Praktikum und wurden anschließend, aufgrund ihrer guten Leistungen und Teamfähigkeit, in Vollzeit für das Housekeeping übernommen. Die Kommunikation erfolgt über Grundgebärden, Lippenlesen, Gestik und schriftlich auf Papier oder das Schreiben von Texten auf dem Smartphone. Außerdem wird ein Funkrufsystem für Kurzinfos und Hinweise in Verbindung mit speziellen Rauchmeldern und Blitzlampen zum Arbeitsschutz eingesetzt.

Förderung spielt für das Unternehmen nicht die ausschlaggebende Rolle, wenn es um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen geht. So konnte aber beispielsweise ein Eingliederungszuschuss für die vorher arbeitssuchenden Frauen mit Schwerbehinderung durch das Jobcenter helfen den erhöhten Einarbeitungsaufwand und die zu Beginn verringerte Arbeitsleistung für das Unternehmen auszugleichen. Außerdem war eine behinderungsgerechte Gestaltung erforderlich, um die Kommunikation und ein sicheres Arbeiten zu ermöglichen. Bei Bedarf kann auch eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher vom Unternehmen zur Kommunikation angefordert werden, die oder der zu Beginn der Beschäftigung über das Jobcenter gefördert wurde – später ist dann eine Förderung über das Integrations- beziehungsweise Inklusionsamt möglich.
Das ausgelaufene Projekt „MitArbeit! In Köln“ unterstützte die beiden Mitarbeiterinnen und das Unternehmen auf dem Weg zur Inklusion. „MitArbeit! In Köln“ war ein regionales Projekt zur Qualifizierung, Begleitung und Vermittlung von arbeitslosen Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung.
In REHADAT finden Sie auch Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher und Fachdienste für Menschen mit Hörbehinderung.

Unternehmen:

Das inhabergeführte Unternehmen Cölner Hofbräu P. Josef Früh KG beschäftigt 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 30 Nationen, die gleichzeitig auch die Zusammensetzung der Kundschaft widerspiegeln und die Wichtigkeit von Diversity für das Unternehmen verdeutlichen. Neben dem Kerngeschäft der Brauerei, hat sich das Unternehmen ebenso auf den Geschäftsfeldern Gastronomie, Hotellerie und Getränkelogistik etabliert. Zum besonderen Engagement und zur Unternehmensphilosophie gehört auch das Thema Inklusion bzw. die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen – für welche das Unternehmen von der IHK-Stiftung für Ausbildungsreife und Fachkräftesicherung zum „Chancengeber des Jahres 2014“ ausgezeichnet wurde. So stellte das Unternehmen u. a. zwei länger arbeitssuchende Frauen mit einer Gehörlosigkeit neu im Bereich Housekeeping für das Hotel ein. Das Hotel verfügt über 77 Zimmer und eine Junior Suite. Im Hotel arbeiten zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Azubis.

Kommentar des Personalleiters zur Inklusion:

Auf einer Infoveranstaltung von „MitArbeit! In Köln“, die wir besuchten, waren auch viele interessierte Menschen mit einer Hörbehinderung anwesend. So kam uns die Idee Menschen mit einer Hörbehinderung eine Chance zu geben. Wir haben deshalb nach Möglichkeiten gesucht sie zu beschäftigen und sprachen darüber mit „MitArbeit! In Köln“ und sind so auf das Housekeeping gekommen. Über „MitArbeit! In Köln“ wurden uns dann zwei geeignete gehörlose Bewerberinnen vermittelt. Eigentlich wollten wir nur eine Stelle im Housekeeping besetzen, doch während des Praktikums haben uns beide Frauen so überzeugt, dass wir hinterher beide eingestellt haben. Auch die Belegschaft des Hotels war von Anfang an motiviert dabei. Einige haben sich sogar vorab selbst ein paar Gebärden über Videos bei YouTube beigebracht. Allgemein hat sich eine positive Eigendynamik im Rahmen der Einstellung entwickelt, die sich in allen Bereichen des Hotels fortgesetzt hat und das ist schön. Leider hat es wieder einmal viel zu lange gedauert, bis alle Aspekte zur Einstellung mit den Ämtern geklärt waren.

Behinderung und Beeinträchtigung der Mitarbeiterinnen:

Eine Frau ist gehörlos mit einem GdB (Grad der Behinderung) von 100 und die andere hat eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit einem GdB von 80. Beide Frauen sind nicht fähig akustische Informationen, z. B. Lautsprache und Signale, wahrzunehmen. Behinderungsbedingt müssen deshalb hörbare Informationen so verändert werden, dass sie von ihnen optisch oder taktil wahrgenommen werden können. Eine verbale Kommunikation, über die Lautsprache, ist mit den Frauen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, da beide Frauen lippenablesen können. Die Lippen und die Mundstellung der am Gespräch teilnehmenden Personen müssen dazu gut erkennbar sein. Eine deutliche und klare Aussprache gilt dabei als Voraussetzung für eine gut lesbare Mundstellung.

Beruf:

Beide Frauen waren über einen längeren Zeitraum arbeitslos und wurden durch das Jobcenter betreut, bis das Jobcenter sie über das Projekt „MitArbeit! In Köln“ informierte und sie dorthin vermittelte. Mit Hilfe von „MitArbeit! In Köln“ bzw. deren Jobcoach erarbeiteten sie Möglichkeiten zur beruflichen Teilhabe. Die Kommunikation erfolgte dabei über die Gebärdensprache und das Lippenablesen. Hinsichtlich der Kommunikation wurden die beiden Frauen in einem Kommunikationstraining auf den beruflichen Wiedereinstieg vorbereitet und außerdem von „MitArbeit! In Köln“ bei der Erstellung ihrer Bewerbungsunterlagen unterstützt und durch ein Bewerbungstraining auf das Auswahlverfahren der Unternehmen vorbereitet. Auf die Anfrage des Personalleiters zur Beschäftigung von Personen mit Hörschädigung, schlug „MitArbeit! In Köln“ die beiden Frauen als geeignete Bewerberinnen vor, die sich anschließend beim Unternehmen bewarben. In Bezug auf das Vorstellungsgespräch und die Kommunikation wurde das Team über zu berücksichtigende Aspekte informiert – außerdem nahm noch eine Gebärdensprachedolmetscherin als Unterstützung teil. Nach einem längeren und erfolgreichen Praktikum wurden die beiden Frauen in Vollzeit für das Housekeeping des Hotels eingestellt. Die Einarbeitung erfolgte zu Beginn des Praktikums. In dieser Zeit wurden die beiden Frauen durch die Leitung des Housekeepings und einen Azubi angeleitet und begleitet.

Arbeitsplatz und Arbeitsorganisation:

Die beiden Frauen werden als Mitarbeiterinnen für das Housekeeping für Arbeiten eingesetzt, die sich auf verschiedene Bereiche des Hotels als Mehrstellenarbeitsplatz verteilen.
Zu Beginn wurde der Fachdienst für gehörlose Menschen im Arbeitsleben mit einbezogen. Dieser informierte die Belegschaft des Hotels was in Bezug auf die Kommunikation mit den beiden Frauen zu berücksichtigen sei. In diesem Zusammenhang wurden der Belegschaft auch einige Grundgebärden vorgestellt und beigebracht. Zuvor mussten jedoch einige Gebärden für bestimmte Begriffe festgelegt werden, da die Frauen in unterschiedlichen Regionen aufgewachsen sind und deshalb einige Begriffe etwas anders gebärden. Für die meisten Personen in der Belegschaft war dies der erste Kontakt zu Personen mit Gehörlosigkeit und man hatte keine Vorstellung, wie sie ihren Alltag ohne akustische Wahrnehmung bewältigen. Das Interesse für die beiden Frauen als Kolleginnen und die Art der Kommunikation über die Gebärdensprache führte dazu, dass die Belegschaft des Hotels freiwillig einen Kurs zum Erlernen der Gebärdensprache besuchte.
Die Kommunikation mit den Frauen erfolgt teilweise über Grundgebärden (Bild 1), Gestik und schriftliche Notizen in Papierformat oder das Smartphone mittels Textnachrichten. Bei Problemen oder Bedarf kann auch eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher bestellt und einbezogen werden. Da Textnachrichten über das Smartphone nicht überall im Hotel empfangen werden können und aus Gründen des Arbeitsschutzes, wird ein spezielles Funkrufsystem eingesetzt. Das Funkrufsystem besteht aus einer Basisstation als Sender und mobilen Empfangseinheiten, die an der Kleidung befestigt werden können. Das Funksignal des Systems ist so stark, dass es überall im Hotel empfangen werden kann. Über die Basisstation, die sich im Nebenraum zur Rezeption befindet, können bestimmte Informationen, z. B. dass die Frauen an die Rezeption kommen oder sie eine Nachricht auf dem Handy bzw. Smartphone lesen sollen, gesendet werden (Bild 2). Zur Wahrnehmung vibriert die Empfangseinheit sehr stark, je nach Art der Information in einer bestimmten Reihenfolge und die Information wird als leuchtendes Symbol angezeigt (Bild 3).

Arbeitsaufgabe:

Als Mitarbeiterinnen für das Housekeeping kontrollieren die beiden Frauen täglich nach Checkliste die Zimmer des Hotels und wechseln nach Plan und Bedarf die Wäsche für das Bett und Bad, machen die Betten, füllen die Minibar auf usw. (Bild 4 - 6). Die eigentliche Reinigung und das Putzen der Zimmer erfolgt durch ein externes Reinigungs-Unternehmen. Sollten die Frauen feststellen, dass evtl. ein Zimmer nicht nach den Vorgaben gereinigt oder geputzt wurde, so wird entsprechend das Reinigungs-Unternehmen oder dessen Personal vor Ort über die erforderliche Nacharbeit informiert. Es kann unter bestimmten Umständen auch vorkommen, dass die beiden Frauen Reinigungs- und Putzarbeiten übernehmen müssen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit werden die beiden Frauen auch gelegentlich von der Hotelkundschaft angesprochen, wenn diese beispielsweise ein anderes Kissen benötigen. In solchen Fällen verweisen die beiden Frauen auf das Gehörlosensymbol auf ihren Namensschildern oder deuten über Gesten ihre Gehörlosigkeit an. Die weitere Kommunikation erfolgt dann über das Lippenablesen und kurze schriftliche Notizen.

Arbeitsschutz:

Spezielle Rauchmelder und das Funkrufsystem wurden in das Brandschutzsystem des Hotels integriert. Im Brandfall geben die Rauchmelder, wie üblich, ein akustisches Warnsignal ab und senden zusätzlich ein Funksignal an die für die Mitarbeiterinnen mit Gehörlosigkeit eingebundenen Geräte, wie Blitzlampen und mobile Empfangsgeräte. Die mobilen Empfangsgeräte teilen ihnen dabei, durch deren Vibrationsfolge mit dem entsprechend aufleuchtenden Symbol, den Alarmfall mit.

Arbeitsumgebung:

Eine der Mitarbeiterinnen nutzt einen Wecker mit Lichtblitz, damit sie morgens pünktlich zur Arbeit kommt.

Eingesetzte Hilfsmittel - Anzeigen der Produkte:

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • ERGOS - Hören
  • IMBA - Arbeitssicherheit
  • IMBA - Arbeitszeit
  • IMBA - Gestik/Mimik
  • IMBA - Hören
  • IMBA - Pünktlichkeit
  • IMBA - Unfallgefährdung
  • IMBA - Vibration/Erschütterungen
  • MELBA - Pünktlichkeit

Referenznummer:

Pb/111002


Informationsstand: 24.07.2023