Praxisbeispiel
REHADAT-Wissen Depressionen – Interview „Veränderungen müssen zum System und zur Struktur passen“

Kurzbeschreibung:

Ein Interview von REHADAT mit dem Ergotherapeuten und Job-Coach Sven Kornwinkel im Rahmen von REHADAT-Wissen Ausgabe Depressionen.

Inhalte des Interviews sind die Themenbereiche:
  • Bedarf an Job-Coaching
  • Job-Coaching im Betrieb
  • Nachhaltigkeit des Job-Coachings
  • Erfolgsfaktoren des Job-Coaching
Das gesamte Gespräch finden Sie unter dem Reiter bzw. Tabulator Interview.

Das Interview führte REHADAT mit dem Ergotherapeuten und Job-Coach Sven Kornwinke im Rahmen von REHADAT-Wissen Ausgabe Depressionen.

Zur Person:

Sven Kornwinkel ist Ergotherapeut und arbeitet als Job-Coach im Klinikum des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Düsseldorf. Er verfügt über langjährige Berufserfahrung im psychiatrischen Bereich, im stationären, tagesklinischen und arbeitstherapeutischen Arbeitsreha-Setting. Darüber hinaus hat er ein Jobcenter-Projekt zur Arbeitsmarktinklusion geleitet. In einem weiteren war er als Fachanleiter tätig.

REHADAT:

Wie ist der Bedarf an Job-Coaching?

Sven Kornwinkel:

Der Bedarf im Bereich der psychischen Behinderungen wächst. Es gibt vermutlich noch viel mehr Arbeitnehmer, die Depressionen und Job-Coaching-Bedarf haben, aber eben nicht über die Gleichstellung oder den Schwerbehindertenstatus verfügen.

REHADAT:

Was passiert beim Job-Coaching genau im Betrieb?

Sven Kornwinkel:

Ich begleite schwerbehinderte Beschäftigte in ihrem betrieblichen Arbeitsumfeld, wenn Probleme am Arbeitsplatz bestehen. Vorab bespreche ich das Job-Coaching-Konzept und den Ablauf mit dem Klienten und dem Arbeitgeber. Dann verschaffe ich mir über mehrere Termine im Betrieb einen Überblick über Arbeits- und Kommunikationsstrukturen und lasse mir das Arbeitsumfeld zeigen. Ich lasse mich vom Klienten anlernen, weil ich im Grunde fachfremd bin. Ich arbeite mit und integriere mich in den Betrieb, wodurch ich wertvolle Informationen zu Ressourcen und Veränderungspotentialen im System erhalte, die für den Job-Coaching-Prozess wichtig sind. Ich bekomme einen guten Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten sowie einen Erfahrungswert, was die körperlichen und psychischen Belastungen betrifft. Diese Erfahrungen und das Wissen über die Behinderung nutzen mir in der Beobachtung der Arbeitsfähigkeiten des Klienten im Arbeitsalltag und der Ermittlung notwendiger Veränderungen. In Gesprächen mit dem Klienten, Vorgesetzten und Kollegen erhalte ich einen guten Eindruck über die Veränderungswünsche und Bedürfnisse aller Beteiligten. Diese fasse ich in einer Analyseauswertung zusammen und wir vereinbaren im Zielfindungsgespräch gemeinsame Ziele. Im weiteren Verlauf des Job-Coachings erarbeite ich mit allen Beteiligten im Arbeitssystem Lösungswege und wir implementieren Veränderungen, die die Situation positiv verändern und dem Klienten eine langfristige Perspektive im Betrieb ermöglichen sollen. Der Job-Coaching-Prozess ist immer ergebnisoffen und ressourcenorientiert. Ob derjenige den Arbeitsplatz vollumfänglich behält, Stunden reduziert werden oder eine Erwerbsunfähigkeit vorliegt, weil aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen eine behinderungsspezifische Anpassung des Arbeitsumfeldes nicht möglich ist, entscheidet sich im Prozess.

REHADAT:

Wie können Veränderungen aussehen?

Sven Kornwinkel:

Es gibt verschiedene Interventionsebenen. Mit dem Klienten reflektiere ich Arbeits- und Verhaltenssituationen. Teilweise coache ich auch Vorgesetzte in ihrem Führungsverhalten. Manchmal wird etwas an der Arbeitsstruktur oder dem Aufgabengebiet verändert, weil die Belastung zu hoch ist. Ich überlege dann, wie der Stresslevel zu senken ist, damit derjenige ruhiger arbeiten kann und mehr Sicherheit gewinnt. Ebenfalls ist die Aufklärung der Vorgesetzten über die Auswirkung der Behinderung auf die Leistungsfähigkeit des Klienten wichtig, wenn diese nicht den Erwartungen des Betriebes entspricht. Hierbei ist es sehr wichtig mit dem Klienten zu klären, wie offen dies thematisiert werden soll.

REHADAT:

Was ist mit der Nachhaltigkeit?

Sven Kornwinkel:

Wenn die Veränderungsideen aus dem System heraus entstehen, haben sie in der Regel eine gute langfristige Wirkung. Man kann als Job-Coach nicht von außen Maßnahmen erlassen, die wieder abgeschafft werden, sobald man den Betrieb verlässt. Das trägt nicht langfristig zur Integration bei. Bei psychischen Behinderungen wie Depressionen hat man, im Gegensatz zu körperlichen oder geistigen Behinderungen, viel mehr Schwankungen. Es kann sein, dass öfter mal Termine ausfallen oder es längere Krankheitszeiten gibt. Häufig ist es schon die zweite, dritte Wiedereingliederung, wenn ich dazukomme. Wäre man schon bei der ersten Wiedereingliederung mit einem Job-Coaching eingestiegen und ein Reha-Träger hätte das finanziert, wäre derjenige eventuell schon wieder langfristig in Arbeit.

REHADAT:

Was sind Erfolgsfaktoren?

Sven Kornwinkel:

Man braucht soziale Ressourcen im Betrieb. Das können Kollegen sein, die ein gewisses Verständnis zeigen und bereit sind, den Betroffenen an gewissen Stellen zu unterstützen. Abhängig ist der Erfolg auch davon, inwieweit Vorgesetzte sich auf die Thematik einlassen und ob es im Betrieb eine soziale Verantwortung, eine „Pro-Mitarbeiter-Haltung“ gibt. Natürlich ist auch die Bereitschaft des Klienten wichtig, sich an gewisse Dinge anzupassen. Gerade auf der Arbeit, in Betrieben, gibt es Strukturen, die vorgegeben sind, an denen man teilweise nicht viel verändern kann. Da muss auch der Klient aktiv an seiner Integration mitwirken. Kann er mit seiner Behinderung gut umgehen? Achtet er auf sich? Kann er sich bei Problemen bemerkbar machen? Hat er ein realistisches Bild von sich und seiner Arbeit? Auch eine gewisse Flexibilität im Betrieb sollte gegeben sein, möglicherweise Tätigkeiten zu einer Stelle zusammenzuziehen, die dann zu demjenigen passt. Zu starre Strukturen machen ein Job-Coaching und eine gelungene berufliche Inklusion schwieriger. Kann man insgesamt die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie die Fähigkeiten des Klienten am effektivsten im Betrieb einzusetzen sind, wird daraus für beide Seiten ein Gewinn.

Es liegen keine Informationen zur Förderung vor.

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • IMBA - Ausdauer (psychisch)
  • IMBA - Kontaktfähigkeit
  • IMBA - Kritikfähigkeit
  • IMBA - Kritisierbarkeit
  • IMBA - Misserfolgstoleranz
  • IMBA - Ordnungsbereitschaft
  • IMBA - Teamarbeit
  • IMBA - Umstellung
  • IMBA - Verantwortung
  • MELBA - Ausdauer (psychisch)
  • MELBA - Kontaktfähigkeit
  • MELBA - Kritikfähigkeit
  • MELBA - Kritisierbarkeit
  • MELBA - Misserfolgstoleranz
  • MELBA - Ordnungsbereitschaft
  • MELBA - Teamarbeit
  • MELBA - Umstellung
  • MELBA - Verantwortung

Referenznummer:

Pb/111077


Informationsstand: 21.03.2023