Praxisbeispiel
Betriebliches Eingliederungsmanagement bei einem kleinen Chemie-Unternehmen

Kurzbeschreibung:

Der Prozess bzw. der Text zur Beschreibung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements beinhaltet die Punkte:

Vorgehen bei der Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements
  • Externe Stellen
  • Analyse der Ist-Situation
Zusammenfassung der Ergebnisse

Eine Beschreibung mit den Einzelheiten zu den Punkten finden Sie unter Langform.

Schlagworte und weitere Informationen

Förderung und Mitwirkung:
Nach dem SGB IX § 167 Abs. 3 können die Rehabilitationsträger (zum Beispiel Rentenversicherungsträger und Berufsgenossenschaften) und die Integrations- beziehungsweise Inklusionsämter Unternehmen, die ein Betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern. Das Unternehmen erhielt deshalb vor einigen Jahren für die Einführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements vom zuständigen Integrations- beziehungsweise Inklusionsamt eine Prämie von 10.000 Euro.
Das aufgeführte Beispiel wurde von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) mit einem Reha-Preis zur Einführung beziehungsweise zum Einsatz eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements ausgezeichnet.
In REHADAT finden Sie auch die Adressen und Telefon-Nummern der Integrations- beziehungsweise Inklusionsämter, der Deutschen Rentenversicherung und der Berufsgenossenschaften.

1 Unternehmen

1.1 Profil

Das kleine Chemie-Unternehmen wurde 1978 gegründet und beschäftigt 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es hat sich im Bereich des Bausektors spezialisiert und stellt unter anderem Produkte zum Fußbodenaufbau her, wie zum Beispiel Folien als Trennschicht für den Estrich und Dämmungen zur Schall- sowie Wärmeisolierung.

Behinderte und erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
  • eine Person ist schwerbehindert
  • eine Person hatte einen Herzinfarkt und nahm anschließend an einer Umschulung in einem Berufsförderungswerk teil
  • eine Person hatte vor einigen Jahren einen Privatunfall mit Hirnverletzung
  • eine Person hat eine Armbehinderung

1.2 Unternehmenskultur

Die Gesundheit der Beschäftigten ist für das Unternehmen sehr wichtig; denn gerade in Kleinunternehmen sind die Arbeitsplätze beziehungsweise Positionen nicht doppelt besetzt. Die individuelle Kenntnis der Details zu betrieblichen Abläufen, Kundschaft, Rezepturen und zur Maschinentechnik macht jeden der Beschäftigten zu einem nur schwer verzichtbaren Teil des ganzen Teams. Die Beschäftigten sind seit vielen Jahren im Unternehmen tätigt und haben in dieser Zeit geholfen Maschinen und Prozesse zu gestalten und zu optimieren. Diese starke Bindung und der Einsatz erfordert auch eine besondere Verantwortung und einen besonderen Schutz durch den Unternehmer beziehungsweise die Unternehmerin. Darum ist dem Geschäftsführer die Gesundheit aller im Unternehmen Beschäftigten auch persönlich sehr wichtig.
Ziel des Unternehmens beziehungsweise des Geschäftsführers ist es, dass die Gesundheit der Beschäftigten dauerhaft erhalten bleibt. Aus diesem Grund entschloss sich der Geschäftsführer das gesetzlich vorgeschriebene Betriebliche Eingliederungsmanagement einzuführen und konsequent anzubieten (vgl. SGB IX § 167).

2 Vorgehen bei der Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements

2.1 Externe Stellen

Zur Entwicklung und Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements wurde ein externes dienstleistendes Unternehmen hinzugezogen. Die Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter des Chemieunternehmens wurden über die Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements informiert und die Erlaubnis zur elektronischen Verarbeitung der persönlichen Daten, inklusive der Arbeitsausfallzeiten von den Beschäftigten, eingeholt. Das Chemieunternehmen beziehungsweise der Geschäftsführer hatte bereits vorher die Beratung des externen dienstleistenden Unternehmens in Anspruch genommen, um eine geeignete Lösung zur Reduzierung der Krankenlage der ältesten Beschäftigten zu finden. Außerdem wurden die zuständigen Kontaktpersonen der Berufsgenossenschaft, des Integrations- beziehungsweise Inklusionsamtes / Integrationsfachdienstes, der Rentenversicherung, der Arbeitsmedizin / Betriebsärztin oder Betriebsarzt und der Krankenkassen zur Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements hinzugezogen.

Externes dienstleistendes Unternehmen:
Um das zukünftig strukturierte Vorgehen bei Erkrankungen von Beschäftigten zu fixieren, wurde ein Ordner zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement angelegt, in dem alle Kontaktpersonen mit Adresse und Telefonnummer aufgeführt sind. Das Vorgehen bei einer Erkrankung mit mehr als 42 arbeitsunfähigen Tagen innerhalb von 365 Tagen wurde festgelegt (wer ist in welchen Fällen zu benachrichtigen?) und im entsprechenden Ordner abgelegt. Der Ordner wurde allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgestellt. Somit ist auch bei Abwesenheit des Geschäftsführers gewährleistet, dass alle notwendigen Schritte eingeleitet werden. Die Informationen zur Möglichkeit der stufenweisen Wiedereingliederung wurden vom dienstleistenden Unternehmen zusammengestellt und ebenfalls im Ordner abgelegt. Nach der Beobachtung der einzelnen Tätigkeiten in der Produktion durch das dienstleistende Unternehmen, wurden verschiedene technische Hilfen erdacht, mit einfachen Mitteln umgesetzt und eingeführt. Diese technischen Hilfen erleichtern die Tätigkeiten und beugen langfristig Erkrankungen und Behinderungen vor.
Beispiele:
  • Kanister wurden bisher nach Abfüllung aus der Maschine nach unten auf einer Palette auf dem Boden abgestellt. Die Kanister werden nun auf derselben Höhe hinübergezogen auf einen erhöhten Stapel von Paletten.
  • Zur Erhöhung der Sicherheit wurden die Verkehrswege im Betrieb gemeinsam mit den Beschäftigten durch gelbe Markierungen gekennzeichnet.
  • Für Hebe- und Transportarbeiten werden Hilfsmittel (Gabelstapler) eingesetzt.
In REHADAT finden Sie auch Transportfahrzeuge und Positionierungshilfen.

Berufsgenossenschaft:
Die Berufsgenossenschaft hat zusammen mit einem Arbeitsmediziner das Unternehmen in Augenschein genommen. Es wurde eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung erstellt. Für erforderliche Verbesserungen wurden noch weitere Informationen zur Hilfe zugesagt, die inzwischen auch im Unternehmen eingetroffen sind.

Integrations- beziehungsweise Inklusionsamt / Integrationsfachdienst (IFD):
Die Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter des Integrations- beziehungsweise Inklusionsamtes und Integrationsfachdienstes kannten die Vorgaben zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement sehr genau und empfahlen dem Unternehmen, in Bezug auf die Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung, auch die örtliche Fachstelle für Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben einzuschalten. Sämtliche Angaben wurden in den Order zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement aufgenommen.

Krankenkassen:
Um möglichst viele Personen, die im Krankheitsfall der Beschäftigten aktiv werden sollen, schon im Vorfeld zu kennen und somit eine Art Netzwerk der Ansprechpartnerinnen beziehungsweise Ansprechpartner für den Betrieb zu bilden, wurde der Kontakt zu allen zuständigen Krankenkassen hergestellt. Somit hatte das Unternehmen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement den jeweiligen Kontakt und erhielt durch die Gespräche die Gelegenheit, die Möglichkeiten zur Unterstützung der Gesundheitsförderung und Prävention für den Betrieb kennenzulernen.

Arbeitsmedizin:
Nach der Begehung durch den Arbeitsmediziner, wurde von einer Mitarbeiterin des externen dienstleistenden Unternehmens und dem Geschäftsführer ein Maßnahmenkatalog erstellt. Dieser wurde sukzessive abgearbeitet.

2.2 Analyse der Ist-Situation

Es wurden verschiedene Begehungen durchgeführt, Arbeitsplätze analysiert sowie Dokumente erstellt oder überarbeitet.

Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbefragung:
Bei der Durchführung einer Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Einschätzung der Anforderungen und der Gefährdungspotenziale an den Arbeitsplätzen wurden die verschiedenen Sichtweisen miteinander abgeglichen und konkreter Handlungsbedarf ermittelt.

Des Weiteren dokumentierte das dienstleistende Unternehmen die Anforderungen an den verschiedenen Arbeitsplätzen mit Hilfe von IMBA (Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt) in Anforderungsprofilen.

Überarbeitung der Fehlzeitendokumentation:
Bei Sichtung der bisherigen Fehlzeitendokumentation wurde festgestellt, dass eine jahresübergreifende Erfassung nicht gewährleistet war. Um eine fortlaufende Erfassung der Fehlzeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten, wurde die Form der Dokumentation so überarbeitet, dass die Fehlzeiten auf einen Blick zu erkennen sind.

Bestandsaufnahme Maßnahmen zur Gesundheitsförderung:
In Zusammenarbeit (externes dienstleistendes Unternehmen und Geschäftsführer) wurden die bereits bestehenden Angebote für die Gesundheit der Beschäftigten dokumentiert:
  • die Beschäftigten bestimmen ihre Pausenzeiten selbst
  • die Beschäftigten haben in den Sozialräumen die Möglichkeit, eine vollständig eingerichtete Küche zur Vorbereitung ihrer Speisen zu nutzen, also auch die Gelegenheit Gerichte frisch zuzubereiten
  • der Geschäftsführer begrüßt jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter täglich persönlich und erkundigt sich nach deren Befinden, oft kommen diese mit Fragen oder Sorgen aus dem privaten Bereich zu ihm und es wird gemeinsam nach einer Lösung gesucht
  • bei den Montagsbesprechungen werden nicht nur die anstehenden Aufgaben für die beginnende Woche besprochen, sondern es wird auch Gelegenheit gegeben, Themen aus dem sozialen Bereich in großer Runde anzusprechen
  • die Beschäftigten haben kostenlos und unbegrenzt frisches Trinkwasser aus einem Spender zur Verfügung, welches im Winter auch aufgebrüht werden kann und zur Bereitung heißer Imbisse oder Getränke dient
Alle diese Angebote wurden sofort nach Einführung angenommen und intensiv genutzt. Außerdem gelang es, Beschäftigte bei der Raucherentwöhnung erfolgreich zu unterstützen.

3 Zusammenfassung der Ergebnisse

  • Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das Betriebliche Eingliederungsmanagement mit deren Einverständnis
  • Überarbeitung der Dokumentation der Fehlzeiten
  • Erstbegehung durch eine Betriebsärztin oder einen Betriebsarzt
  • Erstellung einer Gefährdungsanalyse und -beurteilung
  • erfolgreiche Integration von erkrankten Beschäftigten
  • Anschaffung und interne Herstellung technischer Arbeitshilfen
  • Verbesserung der Ergonomie an den Bildschirmarbeitsplätzen
  • Markierung der Verkehrswege und Sperrflächen
  • Einführung einer Apfelpause zur Erholung (Äpfel werden vom Unternehmen kostenlos bereitgestellt)
  • Erstellung eines Hautschutzplanes und Anschaffung der Produkte
  • Verbesserung der Luftqualität im Büro durch weitere großblättrige Pflanzen
Die Beschäftigten arbeiten merklich motivierter und haben sich bei allen Maßnahmen selbst mit eingebracht. Gerade für die Beschäftigten mit Behinderungen und für die mit Vorerkrankungen, aber auch für alle anderen im Betrieb, ist die Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements ein Schritt zu einem gesundheitserhaltenden Arbeitsleben.

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • IMBA - Arbeitszeit

Referenznummer:

R/PB5326


Informationsstand: 09.08.2022