Praxisbeispiel
Arbeitsgestaltung für eine Familienrichterin

Wo lag die Herausforderung?

Die Richterin erblindete durch Retinitis pigmentosa und kann deshalb optische Informationen nicht mehr wahrnehmen. Damit sie ihren Job als Richterin ausüben kann, mussten ihre Arbeitsbedingungen behinderungsgerecht gestaltet werden.

Was wurde gemacht?

Zur behinderungsgerechten Gestaltung werden folgende Hilfsmittel eingesetzt:
Für bestimmte Aufgaben, bei denen sie ihre Hilfsmittel nicht einsetzen kann, unterstützen sie Arbeitsassistentinnen.

Schlagworte und weitere Informationen

Die Hilfsmittel zur behinderungsgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes wurden vom LVR-Inklusionsamt gefördert. Die Beratung erfolgte dabei durch den Technischen Beratungsdienst des LVR-Inklusionsamts.
In REHADAT finden Sie auch die Adressen und Telefon-Nummern der Integrations- beziehungsweise Inklusionsämter.

Unternehmen:

Es handelt sich um ein Justizministerium eines Bundeslandes, dem auch die jeweiligen Gerichte unterstehen.

Behinderung und Beeinträchtigung der Mitarbeiterin:

Die Frau ist an Retinitis pigmentosa erkrankt – einer fortschreitenden Netzhauterkrankung der Augen. Die Krankheit machte sich ab ihrem siebten Lebensjahr bemerkbar. Mittlerweile ist sie blind und kann deshalb optische Informationen nicht mehr wahrnehmen. Der GdB (Grad der Behinderung) beträgt 100.

Übergang Schule – Studium:

Noch während der Schulzeit am Gymnasium riet man der Frau aufgrund ihrer Augenerkrankung Jura zu studieren, da in diesem Bereich Menschen mit einer Sehbehinderung oder Blindheit beruflich tätig sein können. Als Abiturientin absolvierte sie aus diesem Grund ein Praktikum bei einem Gericht mit einem blinden Familienrichter. Das Praktikum bestätigte die zuvor ausgesprochene Empfehlung und so entschied sie sich Jura zu studieren. Während der Prüfungen im Studium und Examen erhielt sie einen Nachteilsausgleich.

Ausbildung und Beruf:

Die Frau ist studierte und promovierte Juristin und arbeitet seit vielen Jahren als Familienrichterin am Amtsgericht.

Arbeitsplatz und Arbeitsorganisation:

Zu den alltäglichen Aufgaben der Familienrichterin zählen im Rahmen der Verfahren das Lesen sowie Bearbeiten von Akten, das Schreiben von richterlichen Entscheidungen zu verschiedenen Rechtsstreitigkeiten und die Durchführung der eigentlichen Gerichtsverhandlungen. Dazu gehören unter anderem Scheidungen, Sorgerechtsangelegenheiten und Unterhaltsregelungen. Damit die Richterin ihre Arbeitsaufgaben im Büro (Bild 1) und Gerichtsaal erfüllen kann, stehen ihr Hilfsmittel und ergänzend zwei Personen als Arbeitsassistenz zur Seite. Die beiden Arbeitsassistentinnen werden dabei von ihr für reine Neben- und Hilfstätigkeiten eingesetzt, wenn dazu der Hilfsmitteleinsatz nicht ausreicht. Zu den von ihr eingesetzten Hilfsmitteln gehören:
  • eine Braillezeile (Bild 2),
  • ein Screenreader,
  • ein Brailledrucker (Bild 3) und
  • eine elektronische Brailleschreibmaschine (Bild 4).
Mit Hilfe der Braillezeile kann sich die Richterin die eigentlich optischen Bildschirminhalte in Kombination mit einem Screenreader taktil über die Braillezeile ausgeben oder akustisch vorlesen lassen. Dazu werden beispielsweise Akten vorher eingescannt und mit einer OCR-Texterkennung in einen für die Hilfsmittel ausgebbaren Text umgewandelt. Um bestimmte kurze schriftliche Notizen und Aktenvermerke in Papierformat zu verfassen, nutzt sie außerdem eine elektronische Blindenschreibmaschine, da es für sie einfacher und schneller geht. Die Blindenschreibmaschine kann auch mit dem Computer verbunden werden. Das Geschriebene kann dann mit Hilfe eines Terminalprogramms unter anderem auch als Datei auf dem Computer gespeichert werden. Eine Ausgabe von Schriftstücken in Braille ist sonst auch über den Computer und den angeschlossenen Brailledrucker möglich. Für sprachliche Notizen nutzt sie ein Smartphone. Die Notizen kann sie sich dann später bei Bedarf akustisch vom Smartphone ausgeben lassen.
Durch die zunehmende Digitalisierung, bedingt durch die Corona-Pandemie, finden Besprechungen auch per Videokonferenzen statt. Die Richterin erhielt in diesem Zusammenhang ergänzend ein Tablet, um an den Videokonferenzen barrierefrei teilnehmen zu können. Die Bedienung des Tablets, wie auch des Smartphones, erfolgt dabei mit einer speziellen Software mit Bildschirmlesefunktion, die akustisch über Sprache beschreibt, was auf dem Gerät passiert. Zusätzliche Audiobeschreibungen der Bildschirmelemente unterstützen beim Navigieren die Nutzerin und Nutzer mit Blindheit.

Arbeitsumgebung – Mobilität:

Zur Orientierung auf ihrem Arbeitsweg in und außerhalb des Gerichtsgebäudes nutzt sie einen Langstock bzw. Blindenstock (Bild 5).

Eingesetzte Hilfsmittel – Anzeigen der Produkte:

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • ERGOS - Sehen
  • IMBA - Sehen

Referenznummer:

PB/111191


Informationsstand: 19.12.2022