Praxisbeispiel
Einsatz eines digitalen Assistenzsystems für Montage- und Verpackungsarbeiten

Wo lag die Herausforderung?

Die Beschäftigten in der Werkstatt für behinderte Menschen konnten aufgrund ihrer Beeinträchtigung bestimmte Arbeitsaufgaben im Montage- und Verpackungsbereich nicht ausführen. Es musste eine Möglichkeit gefunden werden, die entsprechende Beeinträchtigung auszugleichen und um so evtl. auch eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Was wurde gemacht?

Es wurde ein digitales Assistenzsystem zusammen mit einem Institut entwickelt, das für Montage- und Verpackung eingesetzt werden kann. Die Beschäftigten mit Behinderungen können so unterstützt durch das Assistenzsystem die einzelnen Schritte zur Montage einfach lernen und ausführen.

Das Unternehmen arbeitete bei der Entwicklung des Systems eng mit dem Landesverband und einem auf Automatisierungstechnik spezialisierten Startup-Unternehmen, der delta3 GmbH, zusammen, welches vom Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo und einer ortsansässigen Technischen Hochschule gegründet wurde. Die Erprobung des Systems fand dabei im Rahmen eines Pilotprojekts zur Integration digitaler Assistenzsysteme zur Schaffung neuer Arbeitsplätze statt. Um geeignete Betriebe für die Nutzung der Assistenzsysteme zu gewinnen, wurden sog. „Innovationsgutscheine“ eingesetzt, mit denen interessierte Unternehmen eine entsprechende Beratung erhalten, wie mit digitaler Unterstützung Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen eingerichtet werden können. Die Assistenzsysteme sind dabei für die nutzenden Unternehmen zunächst kostenlos und müssen erst bezahlt werden, wenn diese sich dazu entscheiden, die Systeme zu behalten. Die finanzielle Förderung kann nach Erprobung des Systems für das Unternehmen beim zuständigen Integrations- bzw. Inklusionsamt beantragt werden, wenn die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch das System gewährleistet ist und in diesem Zusammenhang Menschen mit einer Schwerbehinderung eingestellt werden.
In REHADAT finden Sie auch die Adressen und Telefon-Nummer der Integrations- beziehungsweise Inklusionsämter.

Unternehmen:

Es handelt sich um eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), die zur wertkreis Gütersloh gGmbH – einem sozialen Dienstleistungsunternehmen – mit weiteren Angeboten, wie beispielsweise zur beruflichen Bildung, beruflichen Inklusion und zum Wohnen für Menschen mit Behinderungen, gehört.
Die wertkreis Gütersloh gGmbH wurde als teilnehmende Institution an einem Digitalisierungsprojekt, im Bereich der sich verändernde Arbeitswelt – Industrie 4.0 zur Inklusion durch moderne Technik von Menschen mit Behinderungen, ausgezeichnet. Im Rahmen des Digitalisierungsprojekts wurde ein Assistenzsystem zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen bei der Arbeitsausführung und von Beschäftigten mit Einschränkungen sowie nachlassender Leistung am Arbeitsplatz entwickelt. Die WfbM selbst stellt das Assistenzsystem her und nutzt es auch.

Behinderung und Beeinträchtigung der Beschäftigten:

Die Menschen mit Behinderungen in der WfbM haben überwiegend geistige und / oder körperliche Beeinträchtigungen, die sie je nach Ausprägung bei der Ausübung von bestimmten Tätigkeiten einschränken. Dies kann dann beispielsweise die Einnahme bestimmter Arbeitshaltungen, die Motorik, die Körperkraft und das Lernen sowie Merken von Arbeitsabläufen bzw. -inhalten betreffen.

Arbeitsplatz und Arbeitsaufgabe:

Die Beschäftigten führen an ihren Arbeitsplätzen Montage- und Verpackungsarbeiten aus. Das Assistenzsystem kann dazu eingesetzt werden, um sie bei Einarbeitung, Qualifizierung und Ausführung von Tätigkeiten mit für sie doch komplexeren Arbeitsschritten zu unterstützen und dies bei gleichbleibender guter Qualität. Die betreffenden Arbeitsplätze können in der WfbM oder bei Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes liegen – beispielsweise in Form von Außenarbeitsplätzen. Außenarbeitsplätze ermöglichen dabei auch einen späteren Wechsel als eigentlich beschäftigte bzw. angestellte Person zum Unternehmen und dienen damit der WfbM als Instrument zur Inklusion.
Im Grundaufbau ähnelt das Assistenzsystem einem üblichen Montage- bzw. Verpackungsarbeitsplatz der WfbM mit einem Montagtisch mit Ebenen, auf denen sich die Sichtlagerkästen mit den zu montierenden Bauteilen befinden (Bild 1). Zusätzlich sind zwei Beamer, Kameras, Signal-Lampen, ein kleiner PC und ein größerer Touchscreen-Monitor verbaut. Die oben am Assistenzsystem über dem Montagetisch angebrachten Beamer projizieren die Montageanleitungen bzw. Videos und / oder Bilder dazu in das Blickfeld der Beschäftigten auf den Montagetisch sowie Textfelder mit nötigen Informationen zum Vorgang (Bild 2). Ebenfalls abgebildet wird die Anzahl der bereits abgeschlossenen und der noch übrigen Arbeitsschritte. Zwei Tiefenkameras erkennen die Handbewegung der Beschäftigten und registrieren das Entnehmen der Bauteile aus den Sichtlagerkästen, die dazu entsprechend jeweils beleuchtet werden (Bild 3). Sollte dabei in den falschen Behälter gegriffen werden, erscheint ein rotes Licht und es erfolgt keine Freigabe des nächsten Arbeitsschritts vom System. Bei grünem Licht kann der nächste Arbeitsschritt mit dem entnommenen Bauteil fortgeführt werden und so werden die Beschäftigten Schritt für Schritt durch den Arbeitsprozess durch das Pick-to-Light-System geleitet. Die Software des Assistenzsystems erlaubt es außerdem, auch ohne komplizierte Programmierung, einfach eigene Montageanleitungen zu erstellen, so dass auch Menschen mit Behinderungen dies unter Anleitung übernehmen können. Dabei können Videos und Bilder zur Anleitung des Arbeitsprozesses mit dem Smartphone oder einer Kamera aufgenommen und anschließend in die entsprechende Anleitung über eine USB-Verbindung vom Aufnahmegerät auf den PC gespeichert werden.
Der in das Assistenzsystem integrierte Montagetisch ist elektrisch höhenverstellbar und ermöglicht in Kombination mit einem ergonomischen Arbeitsstuhl einen Wechsel zwischen sitzender und stehender Arbeitshaltung. Außerdem können die Ablageflächen mit den Sichtlagerkästen an den Greifraum der Beschäftigten angepasst werden. Die für die Montage benötigten Vorrichtungen für das Assistenzsystem werden per CAD an einem Arbeitsplatz in der WfbM konstruiert und anschließend dort per 3D-Druck gefertigt.
Das eigentliche Assistenzsystem kann stationär in einem Fertigungsablauf bzw. einem Materialfluss eingebunden werden. Es ermöglicht aber auch über die Rollen am Montagtisch einen einfachen Transport an die für die Qualifizierung oder auszuführende Montageaufgabe vorgesehenen Räumlichkeiten. Es kann somit auch standortunabhängig eingesetzt werden.

Eingesetzte Hilfsmittel – Anzeigen der Produkte:

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • EFL - Schweregrad der Arbeit (Last/Herzfrequenz)
  • ERGOS - aktuelle tägliche Dauerleistungsfähigkeit (Last/Herzfrequenz)
  • IMBA - Arbeitsplanung
  • IMBA - Lernen/Merken
  • IMBA - physische Ausdauer (Last/Herz-Lungensystem)
  • IMBA - Problemlösen
  • IMBA - Selbständigkeit
  • IMBA - Umstellung
  • IMBA - Vorstellung (Vorstellungsvermögen)
  • MELBA - Arbeitsplanung
  • MELBA - Lernen/Merken
  • MELBA - Problemlösen
  • MELBA - Selbständigkeit
  • MELBA - Umstellung
  • MELBA - Vorstellung (Vorstellungsvermögen)

Referenznummer:

PB/111203


Informationsstand: 03.06.2024