Praxisbeispiel
REHADAT-Wissen chronisch-entzündliche Darmerkrankung – Interview "Prinzipiell ist jeder Job möglich!"

Kurzbeschreibung:

Ein Interview von REHADAT mit der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e. V. im Rahmen von REHADAT-Wissen – Ausgabe chronisch-entzündliche Darmerkrankung.

Inhalte des Gesprächs sind die Themenbereiche:
  • Anzahl der Mitglieder beim Verein, Altersgruppen und Art des Beschäftigungsverhältnisses
  • Probleme der Betroffenen bei der Teilhabe am Arbeitsleben
  • Aussehen der Arbeit in Bezug auf die Beratung zu Beruf und Arbeiten mit CED
  • Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um Menschen mit CED in das Arbeitsleben zu integrieren
  • Rat für Betroffene in Bezug auf die Offenlegung der Erkrankung am Arbeitsplatz
  • Empfehlung der Beantragung eines GdB bei CED für Betroffene
  • Berufe, die nicht ergriffen werden sollten und welche die sich besonders eignen für Betroffene
Das gesamte Gespräch finden Sie unter dem Reiter bzw. Tabulator Interview.

Schlagworte und weitere Informationen

Ein Interview von REHADAT mit Heike Jäger und Melanie Schich von der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e. V. im Rahmen von REHADAT-Wissen – Ausgabe chronisch-entzündliche Darmerkrankung.

Zu den Personen:

Heike Jäger ist als Referentin für den Bereich Beratung und Melanie Schich als Koordinatorin für den Bereich Sozialrecht bei der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e. V. tätig.

REHADAT:

Wie viele Mitglieder hat der DCCV und bestehen diese hauptsächlich aus jüngeren Leuten, die sich gerade in der Ausbildung befinden oder bereits im Beruf tätig sind?

Frau Schich:

Aktuell haben wir über 23.000 Mitglieder aus allen Altersgruppen. Gerade junge Menschen wollen trotz Erkrankung am Arbeitsleben teilhaben. Viele, die sich an uns wenden, befinden sich bereits in einer Ausbildung, im Studium oder im Beruf. Häufig melden sich auch CED-Betroffene, die schon lange im Berufsleben stehen, bisher kaum gesundheitliche Einschränkungen hatten, doch plötzlich vor Schwierigkeiten stehen. Sie wollen wissen, was ihre Rechte sind und wie sie sich schützen können, wenn beispielsweise ein BEM-Gespräch ansteht oder wenn Arbeitgebende Fragen stellen.

REHADAT:

Welche Probleme haben Betroffene, wenn es um ihre Teilhabe am Arbeitsleben geht?

Frau Schich:

Es gibt einige Probleme und Hürden, vor denen Betroffene stehen können. Oft fängt es schon in der Schulzeit an, wenn Kinder krankheitsbedingt öfter in der Schule fehlen oder in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. Bereits in diesem Alter können Nachteilsausgleiche genutzt werden, um trotz Einschränkungen einen guten Schulabschluss zu erreichen. Wenn es um den Berufseinstieg geht, gibt es auch bestimmte Berufe, in denen man aufgrund einer chronischen Erkrankung ausgeschlossen wird, wie zum Beispiel im Polizeidienst.

REHADAT:

Sie beraten zu den Themen „Beruf“ und „Arbeiten“ mit CED. Wie sieht diese Arbeit aus?

Frau Schich:

Unser Arbeitskreis „Sozialrecht“ berät unsere Mitglieder in sozial- und arbeitsrechtlichen Fragen, insbesondere wenn es um Kündigungen geht. Darüber hinaus sind allgemeine Themen, beispielsweise zum Grad der Behinderung oder den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Teil der Beratung. Weiter gibt es Unterstützung, bei Anfragen jüngerer Menschen, aus anderen Arbeitskreisen wie Studi CED und Youngsters, die sich gerade zu einem gemeinsamen Arbeitskreis formieren. Sie bestehen aus jungen Menschen in Ausbildung oder Studium, die ihre Erfahrungen und Tipps für den Einstieg in den Beruf teilen.

Frau Jäger:

Und dann gibt es noch die Kind-Elterninitiative (KEI). Die KEI ist sicherlich auch für junge Betroffene und ihre Eltern eine Anlaufstelle, um sich über den Umgang mit der CED in der Schule und vorausschauend auch über Möglichkeiten im Berufsleben zu informieren und sich mit anderen Eltern über bereits gemachte Erfahrungen auszutauschen.

REHADAT:

Gibt es sinnvolle Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um Menschen mit CED in das Arbeitsleben zu integrieren?

Frau Jäger:

Zunächst einmal gibt es grundlegende Maßnahmen, die jeder Arbeitgebende ergreifen sollte. Dazu gehören die Schaffung eines freundlichen Klimas am Arbeitsplatz, sowie die Möglichkeit flexibler Arbeitsmodelle, beispielweise durch Gleitzeit oder mobiles Arbeiten. Es ist auch wichtig, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen und offen für individuelle Anliegen zu sein. Während der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie barrierearm viele Menschen mit CED im Homeoffice arbeiten konnten, vor allem wenn sie die Möglichkeit hatten, flexiblere Pausen einzulegen und Zugang zu einer Toilette in der Nähe hatten. Es geht nicht darum, dass der Arbeitgebende alles über die Erkrankung wissen muss, sondern um grundlegende Unterstützung und Flexibilität.

Frau Schich:

Eine allgemeine Sensibilisierung für die Erkrankung in der Gesellschaft wäre trotzdem wünschenswert und ist ein Ziel unserer Arbeit. Sie kann jeden von uns treffen und ist zudem sehr schambesetzt. Darum wäre es hilfreich, wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber grundsätzlich flexibel und offen für eine individuelle Arbeitsplatzgestaltung wären ohne, dass hierfür teilweise Erklärungen, Atteste oder der Nachweis einer Schwerbehinderung nötig sind.
Für CED-Betroffene wirken, neben der bereits genannten Beispiele, räumliche Dinge wie kurze Toilettenwege, ggf. eine eigene Toilette bzw. der Zugang zur Behindertentoilette aber auch das Arbeiten in Einzelbüros entlastend. Zum Beispiel kann es für manche Betroffene unangenehm sein, in einem Großraumbüro zu sitzen, wenn sie Probleme mit Blähungen haben. Bei Durchfällen muss es sofort möglich sein auf die Toilette gehen zu können. Zusätzlich ist es unangenehm, wenn andere Kolleginnen und Kollegen Gerüche mitbekommen oder sehen, dass man häufiger auf die Toilette muss.
Zusätzlich können Schichtsysteme optimiert werden, durch feste Schichten Einzelner und längere Wechselintervalle. Auch Maßnahmen zur Entspannung sind für alle hilfreich.

REHADAT:

Was würden Sie Betroffenen mit CED bezüglich der Offenlegung ihrer Erkrankung am Arbeitsplatz raten?

Frau Schich:

Diese Entscheidung muss jede oder jeder für sich selbst treffen, da es sehr darauf ankommt, wie man sein berufliches Umfeld erlebt und wie offen man mit der Erkrankung umgehen kann. Es besteht jedoch immer das Risiko, dass man sich durch zu viel Offenheit gefährdet. Es gibt viele Menschen, die sich schwerer damit tun, ihre CED am Arbeitsplatz offen zu legen. Dafür gibt es verschiedene Gründe und teilweise unterschiedliche Haltungen in den Generationen.
Es ist wichtig zu bedenken, dass Arbeitgebende auch verständnisvoll damit umgehen müssen, dass es sich um eine chronische Erkrankung handelt und dass Fehlzeiten immer wieder auftreten können. Das Verständnis ist nicht immer gegeben, auch unter Kolleginnen und Kollegen nicht. Die Größe des Unternehmens und die Personalstruktur sind auch wichtige Faktoren, die man berücksichtigen sollte. Wenn es sich um einen kleineren Handwerksbetrieb handelt, kann es schwieriger sein, die Einschränkungen durch die Erkrankung zu kompensieren, als wenn es sich um ein größeres Unternehmen handelt.
Wichtig ist es, sich über die rechtlich möglichen Schritte im Klaren zu sein, falls es zu Problemen am Arbeitsplatz kommt. In diesen Fällen gibt es Unterstützung und Beratung durch die DCCV.

REHADAT:

Empfehlen Sie die Beantragung eines Grad der Behinderung (GdB) für CED-Betroffene?

Frau Schich:

In den meisten Fällen empfehle ich den Betroffenen die Beantragung eines GdB.
Man ist nicht verpflichtet eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung bei der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber anzugeben. Die Angabe kann dennoch sinnvoll sein, weil es bestimmte Nachteilsausgleiche gibt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen und das Arbeitsleben erleichtern sollen. Auch der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin haben Vorteile. Der erweiterte Kündigungsschutz besteht aber auch ohne, dass die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber Kenntnis über die Schwerbehinderung oder Gleichstellung hat. Wenn eine Kündigung im Raum steht, sollte man jedoch rechtzeitig nachweisen, dass eine Gleichstellung oder die Schwerbehinderung vorliegt.
Gerade junge Menschen in Studium oder Ausbildung profitieren von einem GdB, wenn sie aufgrund der CED eingeschränkt sind und die dadurch bestehende Benachteiligung bestmöglich ausgeglichen werden soll.

REHADAT:

Gibt es Berufe, von denen Sie abraten würden oder welche, die sogar besonders gut zu CED passen?

Frau Schich:

Grundsätzlich würde ich niemanden von einem bestimmten Beruf abraten. Ich glaube, dass man mit einer CED viele Berufe ausüben kann. Natürlich hängt es vom Verlauf der Erkrankung ab und es kann sein, dass es einige Hürden gibt. Manchmal entwickeln sich dadurch neue Perspektiven. Es gibt tatsächlich Berufe, die gut zur CED passen, wie zum Beispiel Bürojobs, bei denen die Toilettennähe eher gegeben ist. Wenn man später im Job feststellt, dass die Erkrankung die Ausübung der Tätigkeit erschwert, gibt es auch immer noch die Möglichkeit, mit den Arbeitgebenden zu besprechen, ob es Möglichkeiten gibt, innerhalb des Unternehmens in einem anderen Bereich weiterzuarbeiten. Zusätzlich sind auch Umschulungen möglich.

REHADAT:

Vielen Dank für das Interview.

Es liegen keine Informationen zur Förderung vor.

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Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • EFL - Schweregrad der Arbeit (Last/Herzfrequenz)
  • ERGOS - aktuelle tägliche Dauerleistungsfähigkeit (Last/Herzfrequenz)
  • IMBA - Arbeitszeit
  • IMBA - physische Ausdauer (Last/Herz-Lungensystem)

Referenznummer:

PB/111251


Informationsstand: 10.01.2024

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