Praxisbeispiel
Kurzbeschreibung:
Ein Interview von REHADAT mit Dr. Hannah Reuter von Pfotenpiloten – Stiftung Assistenzhund.
Inhalte des Interviews sind die Themenbereiche:
Inhalte des Interviews sind die Themenbereiche:
- Beschreibung der Organisation Pfotenpiloten
- Aufgabe und Funktion der Interviewpartnerin bei Pfotenpiloten
- Genereller Einsatz von Assistenzhunden für Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz
- Aufgabe von Assistenzhunden im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung und der beruflichen Tätigkeit von Menschen mit Behinderungen
- Weitere Effekte, die sich positiv beim Einsatz eines Assistenzhundes auf die Berufstätigkeit auswirken
- Erfahrungen betroffener Personen in Bezug auf die berufliche Unterstützung durch den Assistenzhund
- Mögliche Probleme – wenn Arbeitgeberin oder Arbeitgeber einen Assistenzhund am Arbeitsplatz nicht erlauben
- Mögliche Einwände von Kolleginnen und Kollegen
- Argumente mögliche Bedenken zu zerstreuen
- Anschaffungskosten eines Assistenzhundes und Förderung für den Einsatz im beruflichen Zusammenhang
- Ansprechstellen zur Anschaffung eines Assistenzhundes
- Anschaffungsdauer und möglicher Einsatzbereich
Schlagworte und weitere Informationen
Ein Interview von REHADAT mit Dr. Hannah Reuter von Pfotenpiloten – Stiftung Assistenzhund.
Zur Person:
Frau Dr. Hannah Reuter arbeitet als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei Pfotenpiloten – Stiftung Assistenzhund und ist u. a. auch Autorin mit Kolumnen über den Alltag als blinde Mutter bei der TAZ und einem Buch dazu.
REHADAT:
Frau Dr. Reuter, Sie kommen von der Organisation Pfotenpiloten. Können Sie kurz beschreiben, was man sich darunter vorstellen kann?
Dr. Reuter:
Pfotenpiloten ist eine gemeinnützige Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, dass in Zukunft immer mehr Menschen mit einem gut ausgebildeten Assistenzhund neu durchstarten können. Dafür bilden wir aber selbst keine Hunde aus, sondern setzen uns in ganz verschiedenen Bereichen für die Schaffung von soliden Grundlagen im jungen, unregulierten Assistenzhundsektor ein – sei es nun mit Blick auf die Qualitätssicherung durch eine unabhängige Prüfung von Assistenzhundteams oder auf die finanzielle Förderung in der Zukunft.
REHADAT:
Was genau ist ihre Funktion und Aufgabe bei Pfotenpiloten?
Dr. Reuter:
Ich bin als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei Pfotenpiloten tätig und kläre auf allen zur Verfügung stehenden Wegen über diese tierischen Hilfsmittel auf – derzeit vor allem über ihre Zutrittsrechte.
REHADAT:
Wann können Assistenzhunde für Menschen mit Behinderungen generell am Arbeitsplatz eingesetzt werden?
Dr. Reuter:
Assistenzhunde übernehmen für ihren Menschen eine unterstützende, die jeweilige Beeinträchtigung ausgleichende oder erleichternde Funktion in allen möglichen Lebensbereichen. Wenn der betroffene Mensch dieser Assistenz auch oder gerade am Arbeitsplatz bedarf, kommt der Hund als Hilfsmittel selbstverständlich auch mit zur Arbeit!
REHADAT:
Welche Aufgaben übernehmen Assistenzhunde denn dabei im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung und der beruflichen Tätigkeit von Menschen mit Behinderungen?
Dr. Reuter:
Welche Aufgaben der Assistenzhund übernimmt, ist bedarfsorientiert, d. h. es hängt von der Beeinträchtigung seines Menschen ab. Wer beispielsweise einen medizinischen Warnhund an seiner Seite hat, wird auch in der Arbeitszeit vor drohenden Gesundheitskrisen gewarnt und im eintretenden Notfall unterstützt, indem der Hund z. B. ein Notfallmedikament oder Hilfe holt.
Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen wird der Assistenzhund Gegenstände aufheben, im Büro Türen und Schubladen öffnen oder beim An- und Ausziehen helfen. Blinde Menschen brauchen ihren Führhund vor allem, um den Arbeitsweg sicher und schnell zu bewältigen oder zum nächsten Meeting oder Außentermin zu gelangen. Die Palette an Einsatzgebieten von Assistenzhunden ist groß und stetig im Ausbau begriffen.
Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen wird der Assistenzhund Gegenstände aufheben, im Büro Türen und Schubladen öffnen oder beim An- und Ausziehen helfen. Blinde Menschen brauchen ihren Führhund vor allem, um den Arbeitsweg sicher und schnell zu bewältigen oder zum nächsten Meeting oder Außentermin zu gelangen. Die Palette an Einsatzgebieten von Assistenzhunden ist groß und stetig im Ausbau begriffen.
REHADAT:
Gibt es noch weitere Effekte beim Einsatz eines Assistenzhundes, die sich positiv auf die Berufstätigkeit auswirken können?
Dr. Reuter:
In erster Linie geht es natürlich um die Assistenzleistungen, die der Hund für seinen Menschen erbringt, aber ganz ehrlich: So ein süßer, gut ausgebildeter Hund kann natürlich noch viel mehr sein – ein Türöffner im Umgang mit anderen Menschen zum Beispiel oder ein vierbeiniger Agent, der zwischenmenschliche Barrieren sprengt! Das Wichtigste ist in meinen Augen, dass der Hund den Bedarf an menschlicher Assistenz enorm verringert und seinem Menschen ermöglicht, so eigenständig wie möglich zu leben bzw. zu arbeiten.
REHADAT:
Was berichten Betroffene über ihre Erfahrungen in Bezug auf die berufliche Unterstützung durch den Assistenzhund?
Dr. Reuter:
Da gibt es sehr viele Erfolgsgeschichten von Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften, die gemeinsam den Arbeitsalltag bestreiten. Eine junge Frau mit posttraumatischem Belastungssyndrom fand nur mit stetiger Begleitung ihres Assistenzhundes überhaupt in den Büroalltag der Stadtverwaltung zurück. Ein junger Altenpfleger mit FASD kann Arbeitsweg und Alltagsorganisation während der Arbeitszeit (zum Beispiel das Einnehmen regelmäßiger Mahlzeiten) nur durch die Unterstützung seines Assistenzhundes sicher und entspannt bewältigen. Und ich selbst bin im Rahmen der Kampagnenarbeit immer wieder in anderen Städten, also in vollkommen unbekannter Umgebung unterwegs – und dabei jedes Mal dankbar dafür, dass mich meine Führhündin sicher, schnell und elegant von A nach B und wieder ins Hotel zurückbringt.
REHADAT:
Gibt es auch Probleme – was ist, wenn die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber einen Assistenzhund am Arbeitsplatz nicht erlaubt?
Dr. Reuter:
Das kommt tatsächlich vor – manchmal deshalb, weil die Chefetage selbst einfach keine Hunde mag, meistens aber, weil zu wenig Wissen um Assistenzhunde und ihr gesetzliches Zutrittsrecht vorherrscht. Als Hilfsmittel dürfen sie ihre Halterin bzw. ihren Halter nach Willen des Gesetzgebers überall dorthin begleiten, wo Menschen in Straßenkleidung Zugang haben (nach § 12e BGG). Das schließt die überwiegende Zahl an Arbeitsplätzen mit ein und macht es Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern (jenseits der Intensivstation im Krankenhaus oder vielleicht einem Spa-Bereich im Hotel) heutzutage schwer, den Assistenzhund langfristig abzulehnen. Potentielle Allergien oder Ängste von Kolleginnen, Kollegen oder der Kundschaft sind – so häufig sie auch angeführt werden – keine tragfähigen Argumente gegen das Hilfsmittel am Arbeitsplatz, denn hier lassen sich mit gutem Willen eigentlich immer Lösungen finden, die beiden Seiten gerecht werden.
REHADAT:
Wie sieht es mit den Kolleginnen und Kollegen aus – kann es von ihnen zu Einwänden kommen?
Dr. Reuter:
Natürlich kann es immer Kolleginnen und Kollegen geben, die wirklich Allergien oder große Angst vor Hunden haben oder sie einfach nicht mögen. Hier gilt das gleiche wie für die Chefebene: Aufklärung hilft meistens, Bedenken auszuräumen. Schließlich sollen die Kolleginnen und Kollegen ja nicht mit dem Hund kuscheln, sondern ihn nur als Hilfsmittel seinen Job machen lassen. Wer eine Allergie oder Angst vor Hunden hat, kann beim Meeting ja einen Platz in der anderen Zimmerecke wählen. Wichtig ist natürlich, allen bestehenden Bedürfnissen bestmöglich gerecht zu werden – aber mit praktischen Lösungen vor Ort und in der Situation und nicht mit pauschalen, meist prophylaktischen Hundeverboten.
REHADAT:
Wie gelingt es Ihnen mit Pfotenpiloten mögliche Bedenken zu zerstreuen?
Dr. Reuter:
Oftmals bedarf es einfach faktenbasierter Aufklärung, denn viele Menschen wissen nicht nur zu wenig über die Gesetzeslage, sondern vor allem über Assistenzhunde selbst, über ihre Einsatzgebiete und ihre Ausbildung. Oft bestehen zum Beispiel Bedenken bezüglich des Benehmens des Hundes in der Öffentlichkeit. Da hilft es sehr, Einblicke in die Ausbildung und Prüfung dieser wirklich sorgfältig ausgewählten und trainierten Hunde zu geben. Noch besser wirkt es, wenn während des Vortrags oder des Presseauftritts der eigene Assistenzhund völlig unauffällig unter dem Tisch liegt – eben genau wie ein Hilfsmittel.
REHADAT:
Wie viel kostet ein Assistenzhund eigentlich und gibt es auch Fördermittel für den Einsatz im beruflichen Zusammenhang?
Dr. Reuter:
Ein gut ausgebildeter Assistenzhund kostet je nach Aufgabenspektrum und Ausbildungsformat zwischen 18.000 und 60.000 Euro. Relativ unproblematisch von den Krankenkassen übernommen wird nur der Blindenführhund. Für alle anderen Assistenzhundarten gibt es derzeit (noch) keinen standardmäßigen Finanzierungsweg. Viele Menschen greifen daher in die eigene Tasche oder auf Spenden zurück. Wenn sich allerdings gut argumentieren lässt, weshalb der Assistenzhund als Hilfsmittel gerade im beruflichen Bereich unumgänglich ist, ist eine Finanzierung über die hier üblichen Träger nicht ausgeschlossen. Wie bei jedem Hilfsmittel kommt es hier auf eine überzeugende Begründung und einen langen Atem an!
REHADAT:
An wen wendet man sich, wenn man einen Assistenzhund benötigt?
Dr. Reuter:
Der erste Weg führt zum behandelnden Arzt, der den Assistenzhund – wie jedes andere Hilfsmittel – verordnet und im besten Fall auch im Detail bespricht, ob der Assistenzhund wirklich das Hilfsmittel der Wahl ist. Immerhin geht es hier auch um einen Lebenspartner, dessen Bedürfnissen man auch gerecht werden muss. Danach beginnt die Suche nach einer geeigneten Ausbildungsstätte, die die Ausbildung des Hundes übernimmt oder dem betroffenen Menschen dabei hilft. Zeitgleich gilt es natürlich, sich Klarheit über Finanzierungsmöglichkeiten zu verschaffen – und nicht zuallererst den Welpen anzuschaffen und danach alles andere zu bedenken.
REHADAT:
Bekommt man eigentlich schnell einen Assistenzhund und ist dieser dann für das gesamte Spektrum zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen – auch im beruflichen Kontext – einsetzbar?
Dr. Reuter:
Da unterscheidet sich der Assistenzhund deutlich von anderen Hilfsmitteln – Massenware von der Stange ist er sicherlich nicht. Normalerweise ist es schon ein langer Prozess, bis der richtige Hund gefunden, ausgebildet und schließlich zusammen mit seinem zukünftigen Menschen zum Einsatz kommt und geprüft ist. Ist der Assistenzhund dann aber an der Seite seines Menschen, dann in allen Lebensbereichen und ein ganzes Hundeleben lang.
REHADAT:
Danke für das Interview.
Es liegen keine Informationen zur Förderung vor.
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Informationsstand: 10.01.2024