Praxisbeispiel
Das Interview führten Dagmar Ernst-Mauer und Heike Knaak von REHADAT mit Herrn Jan Gropp vom WDR - in seiner Funktion als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR):
Mit rund 4.200 Beschäftigten ist der Westdeutsche Rundfunk das größte öffentlich-rechtliche Medienunternehmen in Deutschland. Knapp 150 Berufe vereint der WDR unter seinem Dach. Bei der Personalgewinnung spielen Vielfalt und Inklusion eine große Rolle. Um gezielt Menschen mit Beeinträchtigungen eine Chance zu geben, bietet das Unternehmen mit Hauptsitz in Köln seit 2003 sogenannte Integrationshospitanzen an. Über die Details sprach REHADAT mit Jan Gropp. Er ist seit Ende 2018 Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim WDR.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR):
Mit rund 4.200 Beschäftigten ist der Westdeutsche Rundfunk das größte öffentlich-rechtliche Medienunternehmen in Deutschland. Knapp 150 Berufe vereint der WDR unter seinem Dach. Bei der Personalgewinnung spielen Vielfalt und Inklusion eine große Rolle. Um gezielt Menschen mit Beeinträchtigungen eine Chance zu geben, bietet das Unternehmen mit Hauptsitz in Köln seit 2003 sogenannte Integrationshospitanzen an. Über die Details sprach REHADAT mit Jan Gropp. Er ist seit Ende 2018 Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim WDR.
REHADAT:
Herr Gropp, was genau ist unter der Integrationshospitanz für Menschen mit Beeinträchtigung zu verstehen?
Herr Gropp:
Der WDR bietet Menschen mit Behinderung, egal, ob sie zuvor eine Umschulung gemacht haben, eine erste Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, die Möglichkeit, ein Jahr lang erste Berufserfahrung zu sammeln. Entweder in Köln oder in einem der Regionalstudios. Pro Jahr beschäftigen wir im Schnitt zwei bis vier Integrationshospitantinnen und -hospitanten.
REHADAT:
In welchen Bereichen sind Integrationshospitanzen möglich?
Herr Gropp:
Sowohl im redaktionellen als auch im kaufmännischen, im produktionstechnischen und im IT-Bereich. Die Berufe, in denen die Integrationshospitantinnen und -hospitanten arbeiten können, sind vielfältig und reichen von den beim WDR möglichen Ausbildungsberufen bis hin zu den Berufen, die die festen Kolleginnen und Kollegen ausüben. Neben Journalisten arbeiten hier beispielsweise Juristen, Kaufleute für Büromanagement und audiovisuelle Medien sowie Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung und Systemintegration aber auch Handwerker und sogar Architekten.
REHADAT:
Gibt es eine Altersgrenze?
Herr Gropp:
Nein.
REHADAT:
Welche Voraussetzungen sollten Bewerberinnen und Bewerber mitbringen?
Herr Gropp:
Voraussetzung ist erst einmal natürlich eine Schwerbehinderung oder eine Gleichstellung. Dann sollte die abgeschlossene Berufsausbildung oder das Studium nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. Die Bewerberinnen und Bewerber sollten außerdem noch keine Berufserfahrung gesammelt haben. Das hat den Hintergrund, dass Arbeitgeber dann von der Agentur für Arbeit Lohnkostenzuschüsse erhalten können.
REHADAT:
Werden die Integrationshospitanzen vergütet?
Herr Gropp:
Ja, die Kolleginnen und Kollegen, die einen Zeitvertrag im Rahmen einer Integrationshospitanz erhalten, werden ganz normal nach unserem Vergütungstarifvertrag bezahlt. Integrationshospitantinnen und -hospitanten im kaufmännischen Bereich erhalten beispielsweise ein Assistenzgehalt. Bei den Journalisten kann das Gehalt auch höher ausfallen.
REHADAT:
Zumindest in der Medienbranche scheint dieser Rekrutierungsweg einzigartig zu sein: Wie kam es zu der Idee?
Herr Gropp:
Das hat sich nach und nach entwickelt. Die erste Integrationshospitanz hat 2003 eine Kollegin absolviert, die weiterhin beim WDR arbeitet. Damals ging es erstmal darum, ihr eine Chance zu geben, ohne eine feste oder befristete Stelle im Hintergrund zu haben. Daraus ist dann nach und nach das Programm der Integrationshospitanz entstanden.
REHADAT:
Wie viele feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat der WDR mit Hilfe der Integrationshospitanzen bisher rekrutiert?
Herr Gropp:
Spontan fallen mir acht Kolleginnen und Kollegen ein. Unter anderem ich selbst.
REHADAT:
Das ist spannend. Erzählen Sie doch bitte etwas darüber.
Herr Gropp:
Das kam so: Ich habe ursprünglich Medizin studiert, konnte das Studium aber aufgrund eines Schlaganfalls nicht abschließen. Ich habe dann eine außerbetriebliche Umschulung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien im Berufsförderungswerk Köln absolviert. Pflichtteil war ein halbjähriges Praktikum, wodurch ich zum WDR kam. Das Praktikum habe ich 2008 im Bereich Hörfunk gemacht. Im Anschluss an meine Ausbildung bot mir der WDR eine Integrationshospitanz an und über einen anschließenden Zeitvertrag bin ich dann erstmal in der Direktion Produktion und Technik gelandet. 2011 bin ich in den zentralen Einkauf gewechselt und seitdem festangestellt. Da hatte ich wirklich Glück. In der Schwerbehindertenvertretung bin ich bereits seit sechs Jahren aktiv, zunächst als Stellvertreter. Seit einem Jahr bin ich jetzt Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim WDR und für diese Aufgabe komplett freigestellt.
REHADAT:
Wie laufen die Integrationshospitanzen ab? Gibt es eine Art Ausbildungsplan mit festen Stationen und Aufgaben oder können die Hospitantinnen und -hospitanten mitgestalten?
Herr Gropp:
Im Prinzip können die Integrationshospitantinnen und -hospitanten mitgestalten, einen festen Ausbildungsplan gibt es nicht. Natürlich hat die aufnehmende Abteilung in der Regel klare Vorstellungen, wofür der oder die Hospitantin eingesetzt werden soll. Das sind aber immer Aufgaben, die im Normalfall auch ein Festangestellter oder eine Festangestellte des WDR übernehmen würde. Denn die Integrationshospitanz soll ja dazu dienen, den Beruf live zu erleben und nicht nur auf der Ausbildungsseite erlebt zu haben. Ich selbst bin damals in der Hörspiel-Dramaturgie gewesen und habe genau wie die Festangestellten mit den Dramaturgen zusammengearbeitet, habe Manuskripte gelesen und viel recherchiert. Das waren keine Sonderaufgaben, sondern es ging darum, das normale Tagesgeschäft mitzugestalten.
REHADAT:
Welche innerbetrieblichen Akteure sind eingebunden?
Herr Gropp:
Bei uns ist es so: Die Bewerbungen für die Integrationshospitanzen kommen erst einmal zur SBV, weil wir dafür verantwortlich sind. Dann gehen wir mit den Bewerbungen zu den einzelnen Abteilungen, in denen eine Hospitanz möglich wäre. Wenn wir eine Abteilung gefunden haben, die den Integrationshospitanten oder die Integrationshospitantin aufnehmen möchte, kommt die Personalabteilung für den Vertrag ins Boot. Die Personalabteilung gibt die Informationen dann an den Personalrat weiter. Je nachdem, welche Einschränkungen der Bewerber oder die Bewerberin hat, wird auch ein Betriebsmediziner eingebunden. Das wars dann aber auch schon. Vom Bewerbungseingang bis zum Beginn der Integrationshospitanz können dennoch mehrere Wochen vergehen.
REHADAT:
Welche externe Unterstützung nehmen Sie in Anspruch?
Herr Gropp:
Relativ wenig, da wir inzwischen so geübt sind, dass wir ganz gut mit Bordmitteln zu Recht kommen. Hin und wieder lassen wir uns vom Technischen Dienst des Inklusionsamtes beraten oder wir reden mit dem IFD (Anm. d. Red.: Integrationsfachdienst), ob es noch weitere Fördermöglichkeiten gibt.
REHADAT:
Nutzt der WDR im Rahmen der Integrationshospitanzen finanzielle Hilfen?
Herr Gropp:
Ja, vorwiegend die bereits genannten Lohnkostenzuschüsse von der Agentur für Arbeit.
REHADAT:
Gibt es feste Ansprechpersonen für die Integrationshospitantinnen und -hospitanten?
Herr Gropp:
Es gibt natürlich immer jemanden in den Abteilungen. Bei den kaufmännischen Berufen sind häufig unsere Ausbilderinnen und Ausbilder die Ansprechpartner. Und wenn es mal Probleme gibt, bin ich als Schwerbehindertenvertreter mit im Boot und für die Kommunikation mit der Personalabteilung und der Abteilung zuständig.
REHADAT:
Wie reagieren die Kolleginnen und Kollegen?
Herr Gropp:
Sie sind neugierig und freuen sich, wenn neue Integrationshospitantinnen und -hospitanten kommen. Sie sehen den Sinn dahinter, Menschen mit Behinderung eine Möglichkeit geben zu können, das Berufsleben kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und sich gegebenenfalls so unentbehrlich zu machen, dass ein Anschlussvertrag folgt – und wenn es nur ein Zeitvertrag oder eine Elternzeitvertretung ist.
REHADAT:
Wie stehen denn die Chancen auf eine langfristige Übernahme im Anschluss an eine Integrationshospitanz?
Herr Gropp:
Es ist leider so, dass wir uns in einem Stellenabbau befinden. Die KEF (Anm. d. Red.: Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) hat den Abbau von mindestens 500 Planstellen im WDR bis 2020 gefordert. Aber auch darüber hinaus wird es sicher die eine oder andere nicht nachbesetzte Stelle geben. Die Möglichkeiten, nach einer Integrationshospitanz übernommen zu werden, sind daher im Moment ehrlich gesagt relativ mau. Aber nichtsdestotrotz: Im Zweifel für ein Jahr lang den WDR mal als Station im Lebenslauf stehen zu haben, ist ja auch nicht verkehrt.
REHADAT:
Ist die Möglichkeit der Integrationshospitanz Teil einer WDR-Inklusionsvereinbarung?
Herr Gropp:
Eine Inklusionsvereinbarung haben wir leider noch nicht. Wir haben eine alte Integrationsvereinbarung, in der es jedoch nicht verankert ist. Aber der WDR hat sich natürlich auf die Fahnen geschrieben, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu fördern und das funktioniert generell auch ganz gut. Aktuell beschäftigen wir rund 320 schwerbehinderte und gleichgestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
REHADAT:
Wird das Rekrutierungsmodell regelmäßig evaluiert? Gibt es beispielsweise Feedback-Gespräche?
Herr Gropp:
Ja, das tun wir auf jeden Fall. Es gibt in den Abteilungen Feedback und zwar nicht nur jeweils zum Ende der Integrationshospitanzen, sondern auch zwischendurch. Darüber hinaus mache ich mich immer wieder schlau und trete mit den Hospitantinnen und Hospitanten und mit den Abteilungen in Kontakt, um herauszufinden, was gut läuft, was besser laufen könnte und was wir in Zukunft nicht mehr so machen sollten. Vor ein paar Jahren haben wir beispielsweise entschieden, den Bewerbungsprozess zu vereinfachen. Seitdem fordern wir die Bewerbungen nicht mehr per Post an, sondern über unser barrierefreies Bewerbungsportal.
REHADAT:
Wie barrierefrei ist der WDR denn insgesamt beziehungsweise wurden für die Integrationshospitantinnen und -hospitanten Räumlichkeiten und Arbeitsplätze behinderungsgerecht gestaltet?
Herr Gropp:
Die Barrierefreiheit ist im Moment ein Problem, weil wir vor zweieinhalb Jahren das Filmhaus in Köln räumen mussten mit 500 Arbeitsplätzen und diese jetzt auf die anderen WDR-Gebäude in der Innenstadt verteilt sind. Daraus ergibt sich ein Platzproblem. Wenn eine Abteilung eine Integrationshospitantin oder einen -hospitanten aufnehmen möchte, müssen wir immer erstmal schauen, ob dort ein physischer Arbeitsplatz frei ist, der den geltenden Bestimmungen entspricht. 2024, wenn das neue WDR Medienhaus hier am Appellhofplatz fertig ist, wird sich die Situation wieder entspannen. Wo es leider noch hakelt, sind die Zugänge in die Gebäude. Aber hier stelle ich gemeinsam mit der Gebäudewirtschaft sicher, dass die betreffenden Kolleginnen und Kollegen sicher ins Gebäude und an ihre Arbeitsplätze gelangen.
REHADAT:
Gibt es barrierefreie Toiletten?
Herr Gropp:
Hier in Köln gibt es in jedem WDR-Gebäude mindestens eine barrierefreie Toilette.
REHADAT:
Plant der WDR in Sachen Barrierefreiheit nachzurüsten?
Herr Gropp:
Ja, wir haben eine Zielvereinbarung zur Barrierefreiheit, die zwischen unserem Intendanten und der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (Anm: d. Red.: LAG Selbsthilfe) geschlossen wurde. In dem Zusammenhang wurden in der Kölner Innenstadt in einem ersten Schritt alle WDR-Gebäude begangen und Mängel aufgelistet, die wir nun nach und nach beseitigen werden.
REHADAT:
Würden Sie anderen Unternehmen empfehlen, den Weg der Integrationshospitanzen auch zu gehen?
Herr Gropp:
Auf jeden Fall! Erstens, weil man ganz viele interessante Menschen kennenlernt. Zweitens, weil man genau den Menschen helfen kann, die ansonsten schlechtere Chancen haben, einen ersten Berufseinstieg zu schaffen und drittens, weil Unternehmen dahingehend eine Verpflichtung haben. Diese Chancen zu bekommen, verdient jeder Mensch. Das ist meine tiefe Überzeugung und dafür setze ich mein Wissen und meine Möglichkeiten hier im Haus ein und werde auch nicht müde, das auch nach außen zu kommunizieren.
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Das Interview führten Dagmar Ernst-Mauer und Heike Knaak von REHADAT mit Herrn Jan Gropp vom WDR - in seiner Funktion als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR):
Mit rund 4.200 Beschäftigten ist der Westdeutsche Rundfunk das größte öffentlich-rechtliche Medienunternehmen in Deutschland. Knapp 150 Berufe vereint der WDR unter seinem Dach. Bei der Personalgewinnung spielen Vielfalt und Inklusion eine große Rolle. Um gezielt Menschen mit Beeinträchtigungen eine Chance zu geben, bietet das Unternehmen mit Hauptsitz in Köln seit 2003 sogenannte Integrationshospitanzen an. Über die Details sprach REHADAT mit Jan Gropp. Er ist seit Ende 2018 Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim WDR.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR):
Mit rund 4.200 Beschäftigten ist der Westdeutsche Rundfunk das größte öffentlich-rechtliche Medienunternehmen in Deutschland. Knapp 150 Berufe vereint der WDR unter seinem Dach. Bei der Personalgewinnung spielen Vielfalt und Inklusion eine große Rolle. Um gezielt Menschen mit Beeinträchtigungen eine Chance zu geben, bietet das Unternehmen mit Hauptsitz in Köln seit 2003 sogenannte Integrationshospitanzen an. Über die Details sprach REHADAT mit Jan Gropp. Er ist seit Ende 2018 Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim WDR.
REHADAT:
Herr Gropp, was genau ist unter der Integrationshospitanz für Menschen mit Beeinträchtigung zu verstehen?
Herr Gropp:
Der WDR bietet Menschen mit Behinderung, egal, ob sie zuvor eine Umschulung gemacht haben, eine erste Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, die Möglichkeit, ein Jahr lang erste Berufserfahrung zu sammeln. Entweder in Köln oder in einem der Regionalstudios. Pro Jahr beschäftigen wir im Schnitt zwei bis vier Integrationshospitantinnen und -hospitanten.
REHADAT:
In welchen Bereichen sind Integrationshospitanzen möglich?
Herr Gropp:
Sowohl im redaktionellen als auch im kaufmännischen, im produktionstechnischen und im IT-Bereich. Die Berufe, in denen die Integrationshospitantinnen und -hospitanten arbeiten können, sind vielfältig und reichen von den beim WDR möglichen Ausbildungsberufen bis hin zu den Berufen, die die festen Kolleginnen und Kollegen ausüben. Neben Journalisten arbeiten hier beispielsweise Juristen, Kaufleute für Büromanagement und audiovisuelle Medien sowie Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung und Systemintegration aber auch Handwerker und sogar Architekten.
REHADAT:
Gibt es eine Altersgrenze?
Herr Gropp:
Nein.
REHADAT:
Welche Voraussetzungen sollten Bewerberinnen und Bewerber mitbringen?
Herr Gropp:
Voraussetzung ist erst einmal natürlich eine Schwerbehinderung oder eine Gleichstellung. Dann sollte die abgeschlossene Berufsausbildung oder das Studium nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. Die Bewerberinnen und Bewerber sollten außerdem noch keine Berufserfahrung gesammelt haben. Das hat den Hintergrund, dass Arbeitgeber dann von der Agentur für Arbeit Lohnkostenzuschüsse erhalten können.
REHADAT:
Werden die Integrationshospitanzen vergütet?
Herr Gropp:
Ja, die Kolleginnen und Kollegen, die einen Zeitvertrag im Rahmen einer Integrationshospitanz erhalten, werden ganz normal nach unserem Vergütungstarifvertrag bezahlt. Integrationshospitantinnen und -hospitanten im kaufmännischen Bereich erhalten beispielsweise ein Assistenzgehalt. Bei den Journalisten kann das Gehalt auch höher ausfallen.
REHADAT:
Zumindest in der Medienbranche scheint dieser Rekrutierungsweg einzigartig zu sein: Wie kam es zu der Idee?
Herr Gropp:
Das hat sich nach und nach entwickelt. Die erste Integrationshospitanz hat 2003 eine Kollegin absolviert, die weiterhin beim WDR arbeitet. Damals ging es erstmal darum, ihr eine Chance zu geben, ohne eine feste oder befristete Stelle im Hintergrund zu haben. Daraus ist dann nach und nach das Programm der Integrationshospitanz entstanden.
REHADAT:
Wie viele feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat der WDR mit Hilfe der Integrationshospitanzen bisher rekrutiert?
Herr Gropp:
Spontan fallen mir acht Kolleginnen und Kollegen ein. Unter anderem ich selbst.
REHADAT:
Das ist spannend. Erzählen Sie doch bitte etwas darüber.
Herr Gropp:
Das kam so: Ich habe ursprünglich Medizin studiert, konnte das Studium aber aufgrund eines Schlaganfalls nicht abschließen. Ich habe dann eine außerbetriebliche Umschulung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien im Berufsförderungswerk Köln absolviert. Pflichtteil war ein halbjähriges Praktikum, wodurch ich zum WDR kam. Das Praktikum habe ich 2008 im Bereich Hörfunk gemacht. Im Anschluss an meine Ausbildung bot mir der WDR eine Integrationshospitanz an und über einen anschließenden Zeitvertrag bin ich dann erstmal in der Direktion Produktion und Technik gelandet. 2011 bin ich in den zentralen Einkauf gewechselt und seitdem festangestellt. Da hatte ich wirklich Glück. In der Schwerbehindertenvertretung bin ich bereits seit sechs Jahren aktiv, zunächst als Stellvertreter. Seit einem Jahr bin ich jetzt Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim WDR und für diese Aufgabe komplett freigestellt.
REHADAT:
Wie laufen die Integrationshospitanzen ab? Gibt es eine Art Ausbildungsplan mit festen Stationen und Aufgaben oder können die Hospitantinnen und -hospitanten mitgestalten?
Herr Gropp:
Im Prinzip können die Integrationshospitantinnen und -hospitanten mitgestalten, einen festen Ausbildungsplan gibt es nicht. Natürlich hat die aufnehmende Abteilung in der Regel klare Vorstellungen, wofür der oder die Hospitantin eingesetzt werden soll. Das sind aber immer Aufgaben, die im Normalfall auch ein Festangestellter oder eine Festangestellte des WDR übernehmen würde. Denn die Integrationshospitanz soll ja dazu dienen, den Beruf live zu erleben und nicht nur auf der Ausbildungsseite erlebt zu haben. Ich selbst bin damals in der Hörspiel-Dramaturgie gewesen und habe genau wie die Festangestellten mit den Dramaturgen zusammengearbeitet, habe Manuskripte gelesen und viel recherchiert. Das waren keine Sonderaufgaben, sondern es ging darum, das normale Tagesgeschäft mitzugestalten.
REHADAT:
Welche innerbetrieblichen Akteure sind eingebunden?
Herr Gropp:
Bei uns ist es so: Die Bewerbungen für die Integrationshospitanzen kommen erst einmal zur SBV, weil wir dafür verantwortlich sind. Dann gehen wir mit den Bewerbungen zu den einzelnen Abteilungen, in denen eine Hospitanz möglich wäre. Wenn wir eine Abteilung gefunden haben, die den Integrationshospitanten oder die Integrationshospitantin aufnehmen möchte, kommt die Personalabteilung für den Vertrag ins Boot. Die Personalabteilung gibt die Informationen dann an den Personalrat weiter. Je nachdem, welche Einschränkungen der Bewerber oder die Bewerberin hat, wird auch ein Betriebsmediziner eingebunden. Das wars dann aber auch schon. Vom Bewerbungseingang bis zum Beginn der Integrationshospitanz können dennoch mehrere Wochen vergehen.
REHADAT:
Welche externe Unterstützung nehmen Sie in Anspruch?
Herr Gropp:
Relativ wenig, da wir inzwischen so geübt sind, dass wir ganz gut mit Bordmitteln zu Recht kommen. Hin und wieder lassen wir uns vom Technischen Dienst des Inklusionsamtes beraten oder wir reden mit dem IFD (Anm. d. Red.: Integrationsfachdienst), ob es noch weitere Fördermöglichkeiten gibt.
REHADAT:
Nutzt der WDR im Rahmen der Integrationshospitanzen finanzielle Hilfen?
Herr Gropp:
Ja, vorwiegend die bereits genannten Lohnkostenzuschüsse von der Agentur für Arbeit.
REHADAT:
Gibt es feste Ansprechpersonen für die Integrationshospitantinnen und -hospitanten?
Herr Gropp:
Es gibt natürlich immer jemanden in den Abteilungen. Bei den kaufmännischen Berufen sind häufig unsere Ausbilderinnen und Ausbilder die Ansprechpartner. Und wenn es mal Probleme gibt, bin ich als Schwerbehindertenvertreter mit im Boot und für die Kommunikation mit der Personalabteilung und der Abteilung zuständig.
REHADAT:
Wie reagieren die Kolleginnen und Kollegen?
Herr Gropp:
Sie sind neugierig und freuen sich, wenn neue Integrationshospitantinnen und -hospitanten kommen. Sie sehen den Sinn dahinter, Menschen mit Behinderung eine Möglichkeit geben zu können, das Berufsleben kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und sich gegebenenfalls so unentbehrlich zu machen, dass ein Anschlussvertrag folgt – und wenn es nur ein Zeitvertrag oder eine Elternzeitvertretung ist.
REHADAT:
Wie stehen denn die Chancen auf eine langfristige Übernahme im Anschluss an eine Integrationshospitanz?
Herr Gropp:
Es ist leider so, dass wir uns in einem Stellenabbau befinden. Die KEF (Anm. d. Red.: Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) hat den Abbau von mindestens 500 Planstellen im WDR bis 2020 gefordert. Aber auch darüber hinaus wird es sicher die eine oder andere nicht nachbesetzte Stelle geben. Die Möglichkeiten, nach einer Integrationshospitanz übernommen zu werden, sind daher im Moment ehrlich gesagt relativ mau. Aber nichtsdestotrotz: Im Zweifel für ein Jahr lang den WDR mal als Station im Lebenslauf stehen zu haben, ist ja auch nicht verkehrt.
REHADAT:
Ist die Möglichkeit der Integrationshospitanz Teil einer WDR-Inklusionsvereinbarung?
Herr Gropp:
Eine Inklusionsvereinbarung haben wir leider noch nicht. Wir haben eine alte Integrationsvereinbarung, in der es jedoch nicht verankert ist. Aber der WDR hat sich natürlich auf die Fahnen geschrieben, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu fördern und das funktioniert generell auch ganz gut. Aktuell beschäftigen wir rund 320 schwerbehinderte und gleichgestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
REHADAT:
Wird das Rekrutierungsmodell regelmäßig evaluiert? Gibt es beispielsweise Feedback-Gespräche?
Herr Gropp:
Ja, das tun wir auf jeden Fall. Es gibt in den Abteilungen Feedback und zwar nicht nur jeweils zum Ende der Integrationshospitanzen, sondern auch zwischendurch. Darüber hinaus mache ich mich immer wieder schlau und trete mit den Hospitantinnen und Hospitanten und mit den Abteilungen in Kontakt, um herauszufinden, was gut läuft, was besser laufen könnte und was wir in Zukunft nicht mehr so machen sollten. Vor ein paar Jahren haben wir beispielsweise entschieden, den Bewerbungsprozess zu vereinfachen. Seitdem fordern wir die Bewerbungen nicht mehr per Post an, sondern über unser barrierefreies Bewerbungsportal.
REHADAT:
Wie barrierefrei ist der WDR denn insgesamt beziehungsweise wurden für die Integrationshospitantinnen und -hospitanten Räumlichkeiten und Arbeitsplätze behinderungsgerecht gestaltet?
Herr Gropp:
Die Barrierefreiheit ist im Moment ein Problem, weil wir vor zweieinhalb Jahren das Filmhaus in Köln räumen mussten mit 500 Arbeitsplätzen und diese jetzt auf die anderen WDR-Gebäude in der Innenstadt verteilt sind. Daraus ergibt sich ein Platzproblem. Wenn eine Abteilung eine Integrationshospitantin oder einen -hospitanten aufnehmen möchte, müssen wir immer erstmal schauen, ob dort ein physischer Arbeitsplatz frei ist, der den geltenden Bestimmungen entspricht. 2024, wenn das neue WDR Medienhaus hier am Appellhofplatz fertig ist, wird sich die Situation wieder entspannen. Wo es leider noch hakelt, sind die Zugänge in die Gebäude. Aber hier stelle ich gemeinsam mit der Gebäudewirtschaft sicher, dass die betreffenden Kolleginnen und Kollegen sicher ins Gebäude und an ihre Arbeitsplätze gelangen.
REHADAT:
Gibt es barrierefreie Toiletten?
Herr Gropp:
Hier in Köln gibt es in jedem WDR-Gebäude mindestens eine barrierefreie Toilette.
REHADAT:
Plant der WDR in Sachen Barrierefreiheit nachzurüsten?
Herr Gropp:
Ja, wir haben eine Zielvereinbarung zur Barrierefreiheit, die zwischen unserem Intendanten und der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (Anm: d. Red.: LAG Selbsthilfe) geschlossen wurde. In dem Zusammenhang wurden in der Kölner Innenstadt in einem ersten Schritt alle WDR-Gebäude begangen und Mängel aufgelistet, die wir nun nach und nach beseitigen werden.
REHADAT:
Würden Sie anderen Unternehmen empfehlen, den Weg der Integrationshospitanzen auch zu gehen?
Herr Gropp:
Auf jeden Fall! Erstens, weil man ganz viele interessante Menschen kennenlernt. Zweitens, weil man genau den Menschen helfen kann, die ansonsten schlechtere Chancen haben, einen ersten Berufseinstieg zu schaffen und drittens, weil Unternehmen dahingehend eine Verpflichtung haben. Diese Chancen zu bekommen, verdient jeder Mensch. Das ist meine tiefe Überzeugung und dafür setze ich mein Wissen und meine Möglichkeiten hier im Haus ein und werde auch nicht müde, das auch nach außen zu kommunizieren.
Schlagworte
- Arbeitgebende |
- Arbeitsagentur |
- barrierefreie Gestaltung |
- Barrierefreiheit |
- berufliche Rehabilitation |
- Druck, Medien und Werbung |
- Eingliederungszuschuss |
- Einzel- oder Mehrfachbehinderung |
- Einzel- oder Mehrfacheinschränkung |
- Hospitanz |
- Inklusion |
- Interview |
- Lohnkostenzuschuss |
- Medien |
- Neueinstellung |
- Praktikum |
- Praxisbeispiel |
- Schwerbehindertenvertretung |
- Teilhabe |
- Teilhabe am Arbeitsleben |
- Übergang Ausbildung-Beruf |
- Übergang Studium Beruf |
- WDR
Es liegen keine Angaben vor.
Referenznummer:
Pb/111062
Informationsstand: 26.04.2023