Praxisbeispiel
Betriebliches Eingliederungsmanagement für einen Mechatroniker

Wo lag die Herausforderung?

Nachdem der in Wechselschicht tätige Mechatroniker auf der Arbeit einen Zusammenbruch erlitt, fehlte er krankheitsbedingt acht Wochen. Im Krankenhaus erhielt der Mann die Diagnose Diabetes Typ I.

Was wurde gemacht?

Das Unternehmen leitete wegen der Ausfallzeiten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ein, dem der Mechatroniker zustimmte. Nachdem der Mechatroniker auf die richtig Insulineinnahme eingestellt wurde, folgte eine stufenweise Wiedereingliederung – ausnahmslos im Rahmen der Frühschicht. Zusätzlich wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, Pausen entsprechend seines Bedarfs einzulegen und das Kollegium über das richtige Verhalten im Falle einer Unterzuckerung informiert. Nach der stufenweisen Wiedereingliederung arbeitet der Mechatroniker ohne Probleme wie früher in Wechselschicht.

Schlagworte und weitere Informationen

Es liegen keine Informationen zur Förderung vor.

Mitarbeiter

Der 43 Jahre alte Mechatroniker arbeitet seit 20 Jahren beim Unternehmen. Es wird in Wechselschicht (Früh-, Spät- und Nachtschicht) gearbeitet.

Unternehmen

Der metallverarbeitende Betrieb, der Maschinen für die Verpackungsindustrie konzipiert und herstellt, hat 338 Beschäftigte. Er verfügt über eine Interessenvertretung, Schwerbehindertenvertretung und das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist eingeführt.

Fallschilderung

In der Spätschicht bricht der Mechatroniker zusammen. Er ist nicht ansprechbar und wird mit einem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht. Nach einer Krankenzeit von acht Wochen wird der Mechatroniker zu einem BEM-Gespräch eingeladen und stimmt dem vorgeschlagenen Termin zu, nachdem er sich vorher in einem Informationsgespräch über Inhalt und Zweck des Gespräches erkundigt hat.

BEM-Gespräch

Am Gespräch nahmen der Inklusionsbeauftragte des Unternehmens und der Betriebsrat teil.

Gesprächsverlauf:

Das Gespräch führt die Personalleiterin als BEM-Beauftragte und der BEM-Vertreter des Betriebsrates.
Nachdem dem Mechatroniker das BEM-Verfahren erklärt und auf den Datenschutz und die Vertraulichkeit hingewiesen worden ist, werden die Krankenzeiten betrachtet und sich nach seinem Befinden erkundigt. Es wird ihm erklärt, dass sein Zusammenbruch doch alle sehr erschrocken hat. Der Mechatroniker wird gefragt, ob seine Erkrankung mit der Arbeitssituation im Zusammenhang stehe. Das verneint er.
Der Mechatroniker berichtet, dass es ihm schon länger nicht gut ging. „Ich habe keine Schmerzen gehabt und habe deshalb meinem Unwohlsein keine so große Bedeutung beigemessen. Ich war immer sehr müde und immer durstig. Um die Müdigkeit zu überwinden, habe ich viel Cola getrunken. Das war falsch. Wegen diesem falschen Trinkverhalten bin ich ins Koma gefallen. Im Krankenhaus wird Diabetes Typ I festgestellt. Die Diagnose war für mich ein großer Schock. Ich weiß nicht, wie mein Leben weitergehen soll. Immer noch habe ich Angst zu spritzen. Wie das mit der Arbeit werden soll, kann ich noch nicht sagen. Aus dem Haus mag ich gar nicht gehen, weil ich ja öfters testen, essen und spritzen muss.“
Der Mechatroniker wirkt mutlos und sehr niedergeschlagen. Die plötzliche Diagnose kann er noch nicht annehmen. Er ist stark verunsichert, wie er mit der Krankheit umgehen soll.
Auf die Frage nach der ärztlichen Betreuung, berichtet er: „Nach dem Krankenhaus bin ich nun bei einer Diabetologin in einer Facharztpraxis in Behandlung. Ich fühl‘ mich da gut betreut. Es gibt dort auch Diabetesberaterinnen und meine Frau hat wegen der Diät mit ihnen schon Kontakt aufgenommen. Die Familie ist für mich ein großer Halt. Ohne meine Frau könnte ich die Situation nicht bewältigen. Jetzt habe ich einen Termin für eine zehntägige Diabetesschulung. Die Diabetesberaterin ist ganz zuversichtlich, dass mir dort das nötige Verständnis für die Krankheit vermittelt wird, und ich lerne mit meiner Erkrankung umzugehen.“
Die BEM-Mitglieder finden auch, dass die Schulung eine gute Möglichkeit ist, mehr über den Diabetes zu erfahren. Das Verständnis, das man ihm entgegenbringt, tut dem Mechatroniker sichtlich gut. Man spricht ihm Mut zu und glaubt fest, dass er sein Leben wieder in den Griff bekommen wird. Er soll erst mal die Schulung machen und danach will man in Ruhe weitersehen. Es wird ihm viel Erfolg für die Schulung gewünscht und ein neuer Termin vereinbart.

BEM-Folgegespräch

Beim nächsten Treffen ist auch die Vertrauensfrau der schwerbehinderten Menschen anwesend.
Das BEM-Team erlebt einen veränderten Mechatroniker. Er ist aufgeschlossen, zuversichtlich und fröhlich, wie man ihn von früher her kannte. Ein großer Gegensatz zum ersten BEM-Gespräch. Es ist für alle sehr erfreulich, ihn so zu erleben. Dies geben die Anwesenden ihm als Feedback.
Der Mechatroniker berichtet, dass die Schulung sehr erfolgreich gewesen sei. „Ich glaube, ich bin jetzt Experte meiner Erkrankung. Mir sind die Zusammenhänge zwischen Typ I und Typ II nun deutlicher geworden. Ich kann alles besser einschätzen und damit umgehen. Ich habe jetzt auch wieder Lust zu arbeiten. In der Schulung hat man mir eine Wiedereingliederung empfohlen, damit ich meine Zuckerwerte den betrieblichen Gegebenheiten anpassen kann. Vor den Wechselschichten habe ich noch Angst; weil die Morgenspritze nicht mehr als eine Stunde variieren soll und nach Möglichkeit, immer zur selben Zeit gesetzt werden soll.“ Die BEM-Mitglieder sind überrascht, wie sehr der Mechatroniker die Verantwortung für sein Leben wieder selbst in die Hand nimmt.
Dass er erst mal in der Frühschicht eingesetzt werden soll, ist für alle selbstverständlich.
Die Personalleitung will mit dem Schichtführer sprechen. Hierfür unterschreibt der Mechatroniker das Formular für die Schweigepflichtentbindung, in dem auch die Gründe für den Schichtführer, ihn zurzeit nur in der Frühschicht einzusetzen, nachvollziehbar dargelegt sind. Der Mechatroniker wird gefragt, welche Anregungen er hat, was im Betrieb sonst noch beachtet werden soll. Er äußert daraufhin seine Wünsche.

Wünsche und Vorstellungen

Er will ein Gespräch mit den Kollegen, dem Vorgesetzten, dem Betriebsarzt und der Schwerbehindertenvertretung. Er wünscht sich, dass die Kollegen angstfrei mit ihm umgehen. In der Schulung hatte er bei sportlichen Aktivitäten eine schwere Unterzuckerung bekommen. Er will in dem Gespräch vermitteln, was zu tun ist, wenn dies auf der Arbeit passiert. Er will aber alles dafür tun, dass dies nicht geschieht. Nun weiß er auch, wie gravierend diabetische Spätfolgen sind, und das will er durch eine gute Lebensführung möglichst lange verhindern.

Maßnahme

Das gemeinsame Gespräch, bei dem die Kollegen die gewünschten Informationen erhalten sollen, hält das BEM-Team für eine gute Idee und es soll so bald als möglich veranlasst werden.

Umsetzung der Maßnahme

Am Anfang der Wiedereingliederung wurde das vereinbarte Gespräch mit den Kollegen geführt.
Die Wiedereingliederung von acht Wochen soll die Möglichkeit bieten, dass der Mechatroniker in Ruhe wieder zurück ins Arbeitsleben findet, seine Pausenzeiten, unter Berücksichtigung seiner notwendigen Spritz- und Essenszeiten, selbst bestimmen kann. Der Betriebsarzt und die Schwerbehindertenvertretung begleiten die Wiedereingliederung.

Abschluss

Der Mechatroniker berichtet, dass er erstaunlich gut zurechtkommt. Es sind keine Probleme während der Wiedereingliederung aufgetreten. In seinem Arbeitsalltag kommt er gut zurecht.
Von den Kollegen und der Familie bekommt er das nötige Verständnis und den Rückhalt, über seine Krankheit zu reden, mit ihr umzugehen und damit normal zu leben.
Sein Antrag auf Schwerbehinderung wurde mit einem GdB 50 anerkannt.

Fazit

Durch die nötige Unterstützung ist es dem Mechatroniker schnell gelungen wieder zur Normalität im Arbeitsalltag zurückzufinden.
Nach wenigen Monaten hatte der Mechatroniker den Wunsch, wie gewohnt mit seinen Kollegen wieder in Wechselschicht zu arbeiten. Er wollte wieder Normalität. So konnte das BEM-Verfahren positiv abgeschlossen werden. Krankenzeiten sind keine mehr aufgetreten.

Zusatzinformation

Um gut mit Diabetes leben zu können, muss man sich mit Diabetes auskennen. Wer das Wissen und die Kompetenz erwirbt, Probleme im Alltag selbst zu lösen, kommt besser mit Diabetes zurecht.
Die wichtigsten Ziele der Diabetestherapie heute, sind eine gute Lebensqualität, eine möglichst normale Blutzuckereinstellung mit wenigen Unterzuckerungen sowie eine gute Einstellung des Blutdrucks.
Viele Betroffene wünschen Flexibilität in Beruf und Freizeit, die Möglichkeit, nach den eigenen Wünschen körperlich aktiv zu sein und normal zu essen. Eine Insulintherapie ermöglicht den Patienten, die Therapie im Alltag selbstständig durchzuführen und an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen (Insulindosis). Dazu lernen sie in der Schulung individuelle Regeln zur Anpassung ihrer Insulindosis.

Quelle

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • EFL - Schweregrad der Arbeit (Last/Herzfrequenz)
  • ERGOS - aktuelle tägliche Dauerleistungsfähigkeit (Last/Herzfrequenz)
  • IMBA - Arbeitszeit
  • IMBA - physische Ausdauer (Last/Herz-Lungensystem)
  • IMBA - Schichtarbeit

Referenznummer:

Pb/110880


Informationsstand: 08.09.2022