Praxisbeispiel
Betriebliches Eingliederungsmanagement für einen kaufmännischen Angestellten

Wo lag die Herausforderung?

Der kaufmännische Angestellte fehlte durch eine Augenerkrankung sieben Wochen an seinem Arbeitsplatz. Am Arbeitsplatz konnte er die Informationen am Bildschirm, trotz erhöhter Konzentration und geringem Abstand, nicht mehr ausreichend erkennen. Dadurch traten Fehler auf, die Leistung ließ nach und es kam durch die erhöhte Konzentration zu Ermüdungserscheinungen in Verbindungen mit Kopfschmerzen sowie durch den geringen Monitorabstand zu Nackenschmerzen. Damit er weiterhin beschäftigt werden konnte, musste sein Arbeitsplatz behinderungsgerecht gestaltet werden.

Was wurde gemacht?

Das Unternehmen leitete wegen der Ausfallzeiten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ein, dem der kaufmännische Angestellte zustimmte. Als Maßnahme wurden folgende Hilfsmittel eingesetzt:
Der Arbeitsplatz konnte so behinderungsgerecht gestaltet werden und es kann zu keinen weiteren Ausfallzeiten.

Schlagworte und weitere Informationen

Die Hilfsmittel zur Kompensation der Sehbeeinträchtigung und Teilhabe am Arbeitsleben wurden vom Reha-Träger bzw. der Rentenversicherung gefördert, da die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt war.
In REHADAT finden Sie auch die Adressen und Telefonnummern der Rentenversicherung.

Mitarbeiter

Der 55 Jahre alte kaufmännische Angestellte arbeitet seit 28 Jahren bei einer Bank. Im Wesentlichen umfasst seine Arbeit die Kalkulation von Finanzierungsvorlagen für Programme und von Musterberechnungen für nationale Werbeprogramme der Kfz-herstellenden Unternehmen. Er ist ein sehr erfahrener Mitarbeiter mit hoher Verantwortung. Ihm macht die Arbeit sehr großen Spaß, die ihm leicht von der Hand geht. Er arbeitet acht Stunden hoch konzentriert am PC-Bildschirm.

Unternehmen

Das Bankinstitut beschäftigt 283 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es verfügt über eine Schwerbehindertenvertretung und hat das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) eingeführt.

Fallschilderung

Nach einer Krankenzeit verändert sich das Arbeitsverhalten des kaufmännischen Angestellten. Er arbeitet nicht mehr so konzentriert, wie vor der Erkrankung, schafft die Arbeitsmenge nicht oder nur mit großer Anstrengung. Es schleichen sich Fehler ein. Die abgelieferten, abgeschlossenen Arbeiten unterliegen einem Vier-Augen-Prinzip. Das bedeutet, sie werden von einer vorgesetzten Person noch einmal kontrolliert. Um keine Fehler abzuliefern, kontrolliert der kaufmännische Angestellte jeden Vorgang sehr gewissenhaft, bevor er ihn weitergibt. Bei den Vorgängen geht es um Millionenbeträge. Er hat den Schaden bei einer falschen Kalkulation zu verantworten. Nach einer siebenwöchigen Krankenzeit wird der kaufmännische Angestellte zu einem BEM-Gespräch eingeladen, dem er zustimmt.

BEM-Gespräch

Am Gespräch nehmen der Inklusionsbeauftragte des Unternehmens, der Betriebsrat und eine externe Fallmanagerin bzw. Disability Managerin teil.

Gesprächsverlauf:

Der kaufmännische Angestellte wird freundlich begrüßt. Es werden BEM-Verfahren erklärt und auf die Vertraulichkeit des Gespräches verwiesen. Anschließend werden die Krankenzeiten betrachtet. Auffällig ist, dass der kaufmännische Angestellte lange keine Krankenzeiten gehabt hat, diese sich jedoch in den letzten beiden Jahren häuften.
Er wird gefragt, ob die Krankensituation mit seiner Arbeit in Verbindung zu bringen ist. Dies wird vom kaufmännischen Angestellten zunächst verneint, meint dann aber, dass die Arbeit durchaus mit den Auswirkungen in Zusammenhang steht. Der kaufmännische Angestellte wird gebeten, das näher zu erklären.
Der kaufmännische Angestellte berichtet, er habe ein Augenleiden, eine Hornhautablösung, dadurch erhebliche Probleme beim Sehen. Sein Computer ist zwar mit einer Vergrößerung eingestellt, das bringt aber nichts. Er hat Schwierigkeiten die Ziffern zu erkennen, besonders die 3, 6, 8 oder 9. Durch die eingeschränkte Sehleistung kommt es vermehrt zum Verwechseln der Ziffern. Da einige tausend Autoverkäufer mit den Verkaufsprogrammen arbeiten, haben auch die kleinsten Abweichungen fatale Auswirkungen. Er hat auch beim Erkennen von Buchstaben Schwierigkeit. Besonders die Schriftstücke, die er nicht vergrößern kann, bereiten ihm Probleme. Er behilft sich mit einer Lupe, die aber schlecht am Computer zu halten ist. Er erzählt weiter. „Durch die Arbeitsbelastung kommt es zu täglich wiederkehrenden Augen- und Kopfschmerzen, starken Konzentrationsmängeln, Gedächtnisproblemen und eingeschränkter Belastbarkeit. Damit einher geht der Verlust meines Selbstwertgefühls. Bedingt durch die Fehlhaltung am Arbeitsplatz, ich sitze zu dicht am Bildschirm, kommt es zu Dauerschmerzen im Nacken- und Schulterbereich.
Es erfordert meine ständige Konzentration, nur annähernd die Arbeitsleistung von früher zu bringen. Ich kann nicht akzeptieren, dass ich viel langsamer bin als früher und vor allem, dass mir Fehler unterlaufen. Wenn mir Fehler passieren, führt das dazu, dass alles wieder neu berechnet werden muss. Auch die Bemerkungen von Vorgesetzten über meine Arbeitsleistung und Fehler belasten mich. Dass ich jahrelang immer Höchstleistung gebracht habe, wird nicht mehr gesehen. Man sieht nur, was ich nicht mehr leiste. Dass es mich aber viel mehr Mühe kostet, wird nicht gesehen.“
Das BEM-Team versichert ihm, dass das nicht der Fall ist. Es wird durchaus gesehen, was er leistet, aber jeder ist so mit sich selbst beschäftigt, dass darüber nicht geredet wird.
Sein Arbeitsdruck zeigt inzwischen auch Auswirkungen auf sein Privatleben. Er ist nur noch äußerst selten in der Lage mit seiner Frau etwas Entspannendes zu unternehmen. Seine Freundschaften leiden. Ihm ist alles zu viel.
Der kaufmännische Angestellte erzählt, dass er öfter auf der Arbeit eine kleine Unterbrechung braucht. Er steht für wenige Minuten auf, um eine andere Haltung einzunehmen. Er holt sich im Flur an der Kaffeemaschine Kaffee. Auch schreibt er keine Mails mehr, sondern sucht den persönlichen Kontakt. Das unternimmt er alles, um seinen Druck zu mildern und sich eine Entspannung für seine Augen zu gönnen.
Die Personalleiterin fragt den kaufmännischen Angestellten, ob er damit einverstanden ist, dass sie mit seinem Vorgesetzten redet oder mit ihm gemeinsam. Sie glaubt, dass eine außenstehende Person das nicht ermessen kann, was er da leistet. Der kaufmännische Angestellte ist mit einem Gespräch einverstanden. Er hat die Hoffnung, dass ein gemeinsames Gespräch mit dem Vorgesetzten mehr Verständnis für seine Situation bringen kann. Was er sich als Hilfe noch vorstellen kann, wird der kaufmännische Angestellte von der Betriebsrätin gefragt. „Eine verbesserte Technik.“, antwortet er. „Im Moment habe ich aber keine Vorstellung, was das sein könnte.“
Ihm wird vorgeschlagen, sich von einem Computer-Fachgeschäft für Sehbehinderte und Blinde über bestehende Möglichkeiten informieren zu lassen.
Beim Rententräger soll er dann die technische Hilfe als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragen. Dazu braucht er das Formular G 130 vom Rententräger, einen Kostenvoranschlag und ein Attest einer Augenärztin oder eines Augenarztes. Wenn er alles zusammen hat, soll er einen Termin mit der Fallmanagerin machen. Sie wird ihm beim Antrag behilflich sein, wenn er das wünscht.
Es wird zusammengefasst, was veranlasst werden soll und im BEM-Datenblatt als Maßnahmenentwicklung vermerkt. Der kaufmännische Angestellte ist erleichtert und erfreut sich, dass seine Arbeitssituation und seine Einschränkungen ernst genommen und verbessert werden sollen. Er bedankt sich und will sich melden, wenn er die Unterlagen und den Kostenvoranschlag zusammen hat.

Wünsche und Vorstellungen

Der kaufmännische Angestellte wünscht sich eine verbesserte Technik, damit seine Augenbelastungen durch die Bildschirmarbeit verringert werden.

Maßnahme

Technische Hilfen als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, finanziert über den Rententräger.

Umsetzung der Maßnahme

Der kaufmännische Angestellte geht zum Blinden- und Sehbehindertenzentrum. Dort informiert er sich über mögliche Hilfsmittel. Anschließend vereinbart er einen Termin mit einem herstellenden Unternehmen von Hilfsmitteln, um sich das Geeignete auszusuchen. Er stellt den Antrag beim Rententräger zur Finanzierung der technischen Hilfsmittel als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Abschluss

Nach der Bewilligung des Antrages werden die Hilfsmittel beschafft. Durch die technischen Hilfsmittel reduzieren sich die Arbeitsbelastungen des Angestellten erheblich.

Fazit

Durch die Anschaffung einer Vergrößerungssoftware, einer Tastatur für Menschen mit Sehbehinderung, einem stationären sowie einem mobilen Bildschirmlesegerät, einem 24‘‘ TFT-Monitor, einem Monitorschwenkarm für die Tischmontage, einer Stand- sowie Tischleuchte und einer halbtätigen Schulung am Einsatzort konnte der Mitarbeiter seine Arbeit wieder ohne Druck und körperlichen Belastungen ausführen.

Quelle

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • ERGOS - Sehen
  • IMBA - Arbeitszeit
  • IMBA - Licht
  • IMBA - Sehen

Referenznummer:

Pb/110883


Informationsstand: 20.10.2022