Arbeitgeber und Mitarbeiter
Der Programmierer ist 32 Jahre alt und seit 8 Jahren in einem
IT- Unternehmen, in dem 47 Mitarbeiter beschäftigt sind. Im Betrieb wird Software für Klein- und mittelständische Unternehmen mit individuellen Lösungen entwickelt. Es gibt einen Betriebsrat, und das
BEM ist noch in den Anfängen.
Ein Autounfall mit schweren Folgen
Als der Programmierer an einem Dienstag im Juni zur Arbeit fährt, ist er an einem schweren Autounfall beteiligt. Er erleidet schwere Verletzungen und wird sofort in das berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus zur Akutversorgung gebracht. Von seinem Arbeitgeber wird ein Wegeunfall an die zuständige
Berufsgenossenschaft gemeldet.
Der Programmierer liegt drei Wochen im Koma. Nach seinem Erwachen und vielen neurologischen Untersuchungen wird eine Querschnittlähmung festgestellt. Bald darauf wird eine medizinische Rehabilitation eingeleitet.
Physische und psychologische Unterstützung
Durch einfühlsame Gespräche und nach vielfältiger Unterstützung lernt der Programmierer seine Situation zu akzeptieren. Er lernt langsam, seine verbleibenden Kräfte sinnvoll einzusetzen. Seine Beine kann er nicht mehr bewegen, aber ein
Rollstuhl und die Kraft seiner Arme machen ihn mobil. Der Programmierer hat einen starken Willen und war auch vor seinem Unfall ein ausdauernder und disziplinierter Sportler. Er ist mit seinem Rollstuhl sogar schneller als jeder andere und bewegt sich sehr geschickt. Er steht in ständigem Kontakt mit dem berufsgenossenschaftlichen Berufshelfer und mit der Hilfsmittelberatung.
Umbau im häuslichen Bereich
Der Programmierer lebt allein. Inzwischen ist der Schlafbereich im ersten Stock seiner Wohnung in einem Reihenhaus seinen Bedürfnissen angepasst.
Es wird alles so gestaltet, dass er weitgehend selbständig leben kann. Dazu gehört ein
Treppenlift, um in die obere Etage zu gelangen. Das Badezimmer wird nach den
DIN-Vorschriften für Rollstuhlfahrer umgebaut, außerdem werden alle Türen im Haus verbreitert. Die
Küche wird unterfahrbar und mit höhenverstellbaren Oberschränken eingerichtet. Der Eingangsbereich des Hauses, mit bisher zwei Stufen, wird ebenerdig gebaut. Seine häusliche Situation ist bald behindertengerecht gestaltet.
Technische Anpassung am Arbeitsplatz
Der Programmierer fühlt sich zunehmend den Anforderungen seines neuen Lebens gewachsen; er möchte und kann wieder arbeiten. Aber die Umgebung an seinem alten Arbeitsplatz ist keineswegs behindertengerecht. Der Berufshelfer ermutigt ihn. Er ist sich sicher, dass es dafür Lösungen gibt.
Das
IT-Unternehmen befindet sich im 10. Stockwerk eines 12-stöckigen Hochhauses, das nach dem 2. Weltkrieg gebaut wurde und unter Denkmalschutz steht. Um in das Haus zu kommen, müssen im Eingangsbereich drei Stufen überwunden werden. Es gibt im Haus 2 Personenaufzüge, die nicht ausreichend Platz für einen Rollstuhl bieten. Ein vorhandener alter Lastenaufzug ist für die Personenbeförderung nicht zulässig. Was tun?
Der Berufshelfer der Berufsgenossenschaft organisiert mit dem Arbeitgeber, einem Vertreter der Hausverwaltung, mit einem Mitarbeiter der Behörde für Denkmalschutz und einem technischen Berater der Arbeitsschutzbehörde eine Begehung, um die Situation vor Ort zu besprechen. Nach einigen Diskussionen über die Machbarkeit wird man sich einig: Der vorhandene Lastenaufzug wird zu einem
behindertengerechten Personenaufzug umgebaut. Im Eingangsbereich wird zur Niveauangleichung der Gehweg angehoben, so dass man ebenerdig mit dem Rollstuhl ins Gebäude gelangen kann. Ein Kostenvoranschlag wird eingeholt und die Erlaubnis zur Realisierung der Veränderungspläne beantragt.
Veränderungen sind auch am direkten Arbeitsplatz notwendig. Die Eingangstür zum Büro wird mit einem automatischen Türöffner versehen. Von den drei Toiletten auf der Firmenetage wurden zwei zusammengelegt und zu einem
behindertengerechten WC umgebaut. Alle Türen werden daraufhin geprüft, ob sie die vorgeschriebene Breite für einen Rollstuhlfahrer aufweisen. Der Arbeitsplatz des Programmierers erhält einen absenkbaren
Schreibtisch, mit dem sich die individuelle Arbeitshöhe einrichten lässt.
Kraftfahrzeughilfe
Und wie kommt der Programmierer zur Arbeit? Auch hierfür wird eine Lösung gefunden: Er stellt einen Antrag auf
Kraftfahrzeughilfe. Ein
Auto wird für ihn umgebaut und er absolviert ohne Probleme eine Fahrprüfung für die neue Technik, die auch den
Rollstuhl automatisch verstaut. Nach kurzer Zeit kommt er auch mit dem Einsteigen ins Auto gut zurecht. Der Programmierer freut sich, sein Leben wieder selbständig führen zu können und in das Arbeitsleben integriert zu sein.
Resümee
Es versteht sich von selbst, dass es ein sehr langer Weg für den Verunfallten war und noch ist. Verzweiflung, Schmerzen und eine Menge Mut gehören zu diesem Weg. Kompetente Beratung, Begleitung und ein materieller Rückhalt sind notwendige Bedingungen für das Gelingen einer Rehabilitation, die in solch einem Umfang, die gesamte Innen- und Außenwelt des Betroffenen verändert.
Vor allem entscheiden die alltäglichen sozialen und materiellen Rahmenbedingungen über eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft und in die Arbeitsprozesse. Mit dem Arbeitgeber und den Kollegen war und ist der Programmierer im ständigen Kontakt. Es wurde ihm angeboten, während der erforderlichen Umbauarbeiten im Betrieb zu Hause zu arbeiten. Das Angebot nahm er gerne an, obwohl dies für ihn nur eine Übergangslösung ist, denn er will wie alle anderen Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz im Betrieb nutzen. Mit einer langsamen Wiedereingliederung in den beruflichen Alltag kann er nun seine Belastbarkeit erproben.
Durch die optimale medizinische Betreuung, die im Vordergrund aller Bemühungen stand, sowie seine berufliche und soziale Wiedereingliederung wird hier, mit Unterstützung der Berufsgenossenschaft, die Integration des Programmierers ins Arbeitsleben mit hoher Wahrscheinlichkeit gelingen.
Quelle
Dies ist ein Praxisbeispiel vom Institut für Personalentwicklung und Coaching (ipeco) aus dem Buch:
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement - herausgegeben vom W. Bertelsman Verlag (wbv).