I Unternehmen
Das Unternehmen beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter und bietet Dienstleistungen in den Bereichen Wasser, Abwasser und Energie an. Es hat mehrere Niederlassungen in Deutschland und ist auch im europäischen Ausland präsent.
II Präambel
Ein gemeinsames Ziel der Betriebspartner ist die Erhaltung und Förderung der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf der Basis gestalten Unternehmen und Betriebsrat (
ggf. Schwerbehindertenvertretung) Maßnahmen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (
BEM). Zuvor fallweise durchgeführtes
BEM erhält mit dieser Betriebsvereinbarung für die Zukunft eine die gewonnenen Erfahrungen berücksichtigende Struktur.
1 Zielsetzungen
Nach
§ 167 Abs. 2 SGB IX geht es bei dem betrieblichen Eingliederungsmanagement um die Klärung von "Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann". Zweck der Betriebsvereinbarung ist es, den von Krankheit und Behinderung betroffenen oder bedrohten Beschäftigten auf dieser gesetzlichen Basis frühzeitig konkrete, auf sie individuell abgestimmte Maßnahmen anbieten zu können, die die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsalltag erleichtern
bzw. überhaupt erst ermöglichen und eine langfristige Beschäftigung sichern.
Zu den Führungsaufgaben bei GELSENWASSER zählt die Verpflichtung, im Sinne der Wiederherstellung und des möglichst langfristigen Erhalts der Arbeitsfähigkeit zu wirken (
vgl. ergänzend Vereinbarung zwischen Unternehmen und Betriebsrat zur Betreuung erkrankter Mitarbeiter/innen). Neben damit verbundenen positiven Auswirkungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit möglichst dauerhafter Teilhabe am Arbeitsleben sollen die betrieblich beeinflussbaren Fehlzeiten und Krankheitskosten reduziert werden. Der Arbeitsplatz, das Unternehmen
bzw. die Führungskultur und der Umgang untereinander sollen nicht Ursachen für Arbeitsunfähigkeit sein.
2 Geltungsbereich
Die Vereinbarung findet (abweichend vom Geltungsbereich der Inklusionsvereinbarung, die auf Menschen mit Schwerbehinderung eingeht) auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne von § 5
BetrVG Anwendung, die die Voraussetzungen ununterbrochener oder wiederheiter Arbeitsunfähigkeit nach
Nr. 4 erfüllen.
3 Beauftragung
Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements obliegt der / dem vom Unternehmen zu bestellenden
BEM-Verantwortlichen. Die / der
BEM-Verantwortliche nimmt Kontakt mit Betroffenen auf, führt bei Bedarf und Zustimmung Betroffener das Erstgespräch, leitet die gegebenenfalls erforderlichen diagnostischen Maßnahmen und Arbeitsplatzanalysen ein und koordiniert die darauf aufbauende Maßnahmenentwicklung und -umsetzung.
Der Betriebsrat entsendet ein Mitglied zur dauerhaften Zusammenarbeit mit der / dem
BEM-Verantwortlichen. Sind Betroffene schwerbehindert oder gleichgestellt, wird die Schwerbehindertenvertretung hinzugezogen, wenn Betroffene dem zustimmen. Zur Abklärung der gesundheitlichen Einschränkungen und der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters kann der betriebsärztliche Dienst hinzugezogen werden (wenn Betroffene das nicht ablehnen). Weitere interne
(z. B. Führungskräfte, Fachkraft für Arbeitssicherheit) und externe
(z. B. lntegrationsamt, Servicestellen) Fachkräfte können bei entsprechender Fragestellung ebenfalls am betrieblichen Eingliederungsmanagement beteiligt werden.
In den Fragen betrieblichen Eingliederungsmanagements wird der Arbeitgeber gegenüber den Betroffenen, den Führungskräften und übrigen Beteiligten durch die / den
BEM-Verantwortliche(n) vertreten.
4 Erfassung und Auswertung von Arbeitsunfähigkeitsdaten
Nach § 167
Abs. 2
SGB IX wird der Arbeitgeber aktiv, wenn Beschäftigte "innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig" sind. Die Personalwirtschaft stellt dem / der
BEM-Verantwortlichen daher mindestens einmal im Monat Daten (insbesondere Name, Abteilung, Adresse, Fehlzeiträume) der unter den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung fallenden Beschäftigten zur Verfügung.
5 Maßnahmen
Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements dient der Beschäftigungssicherung und -förderung. Das freiwillige Verfahren bedarf der Zustimmung durch die betroffene Person. Lehnt ein(e) Betroffene(r)
BEM ab, sind die
BEM-Aktivitäten (
ggf. zu Lasten der persönlichen Beschäftigungsfähigkeit) nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form durchführbar. Zustimmung oder Ablehnung sind schriftlich zu dokumentieren.
Betroffene Beschäftigte können von sich aus jederzeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement beantragen, sofern sie vor Kontaktaufnahme von Seiten der / des
BEM-Verantwortlichen die Notwendigkeit sehen.
Das
BEM-Verfahren verläuft grundsätzlich in diesen Schritten:
A. Kontaktaufnahme mit dem Betroffenen
Im Zuge der ersten Kontaktaufnahme (schriftlich und / oder telefonisch) wird die / der Betroffene informiert über die Zielsetzungen, die Praxis des betrieblichen Eingliederungsmanagements im Unternehmen sowie über die dazu erforderliche Datenerhebung.
Die Zustimmung Betroffener vorausgesetzt, erfolgt ein persönliches Informationsgespräch mit der / dem
BEM-Verantwortlichen. Mögliche Fragen und Befürchtungen von Seiten der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters können in diesem Gespräch erörtert werden. Auf Wunsch Betroffener kann auch bereits zu dem Informationsgespräch die / der Betriebsrats-Vertreter(in),
ggf. die Schwerbehindertenvertretung, hinzugezogen werden.
Stimmt die / der Betroffene der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements schriftlich zu, werden in einem Erstgespräch (auf Wunsch des Mitarbeiters / der Mitarbeiterin im Beisein des Betriebsrats und
ggf. der Schwerbehindertenvertretung) Informationen erhoben über:
- mögliche betriebliche Ursachen und Auswirkungen der Erkrankung
- die hauptsächlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und
- die verbleibenden Leistungspotenziale des betroffenen Mitarbeiters.
Darüber hinaus werden Ziele und Erwartungen Betroffener an das betriebliche Eingliederungsmanagement erfragt.
B. Analysephase
Mit Einverständnis Betroffener werden im Anschluss an das Erstgespräch die notwendigen diagnostischen Maßnahmen eingeleitet, um im Rahmen der Inklusionsphase einen Arbeitsplatz anbieten zu können, der die veränderten gesundheitlichen Bedingungen berücksichtigt.
Mögliche diagnostische Maßnahmen umfassen betriebsärztliche Vorstellungen, Arbeitsplatzanalysen (
ggf. in Verbindung mit Arbeitsplatzbegehungen) und die Erstellung eines Fähigkeits- und Leistungsprofils der / des betroffenen Mitarbeiterin / Mitarbeiters.
C. Planung der Maßnahmen
Hat sich in der Analysephase Handlungsbedarf ergeben, klärt die / der
BEM-Verantwortliche (
ggf. in Abstimmung mit weiteren Beteiligten), welche Maßnahmen zur Behebung des Handlungsbedarfs in Betracht kommen. Konkrete Anknüpfungspunkte finden sich in den Bereichen Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, Arbeitsumgebung, Personalplanung und stufenweiser Wiedereingliederung. Auch zu Fragen der Führung und des Umgangs miteinander können sich Maßnahmen ergeben.
Der Arbeitgeber entscheidet anhand der im Erstgespräch gewonnenen Erkenntnisse, ob und welche betrieblichen Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Innerbetriebliche und externe Fachkräfte werden in die Planung eingebunden, soweit deren Funktion und / oder Sachkenntnis hilfreich sein kann. Stellt sich
z. B. heraus, dass die Unterstützung eines Rehabilitationsträgers, der Servicestelle, des Integrationsamtes oder des Integrationsfachdienstes möglich ist, so sind diese (in Abstimmung mit der / dem Betroffenen) frühzeitig zu kontaktieren.
Neben verhältnispräventiven Maßnahmen können auch Verhaltensänderungen
(z. B. berufliche und medizinische Rehabilitation, arbeitsplatzbezogene Schulungen für den Muskel- und Skelettbereich, Angebote im Zusammenhang psychischer Belastungen) der / des betroffenen Beschäftigten erörtert werden.
D. Umsetzung der Maßnahmen
Sobald feststeht, welche Maßnahmen in Betracht kommen, sind, sofern sie nicht bereits am bisherigen Prozess beteiligt waren, die von den Maßnahmen unmittelbar berührten betrieblichen Stellen
(z. B. bisherige oder neue unmittelbare Vorgesetzte) hinzuzuziehen. Die eventuell erforderliche Beantragung von Leistungen betriebsexterner Stellen erfolgt durch die / den
BEM-Verantwortliche(n).
Über die Umsetzung der Maßnahmen wird eine Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der / dem Beschäftigten abgeschlossen, die die einzelfallbezogenen Maßnahmen mit Zeitrahmen und Zuständigkeiten dokumentiert.
E. Abschlussgespräch und Maßnahmenkontrolle
Das Abschlussgespräch (innerhalb der ersten drei Monate nach Abschluss der Maßnahmen) hat zum einen eine erste Wirksamkeitsüberprüfung der umgesetzten Maßnahmen zum Ziel, zum anderen die einvernehmliche Beendigung des betrieblichen Eingliederungsmanagements. In diesem Gespräch zwischen Betroffener / Betroffenem und
BEM-Verantwortlicher /
BEM-Verantwortlichem (auf Wunsch Betroffener zusätzlich Betriebsrats- Vertreter(in),
ggf. Schwerbehindertenvertretung) werden der aktuelle Gesundheitszustand und der sich daraus ergebene weitere Betreuungsbedarf für die / den betroffenen Mitarbeiter(in) erörtert. Diskutiert wird, ob die Ursachen für Arbeitsunfähigkeit über die durchgeführten Maßnahmen positiv beeinflusst wurden und ob gegebenenfalls die Installation präventiver Maßnahmen zur Vorbeugung ähnlicher Krankheiten oder Verletzungen sinnvoll erscheint.
Das Ende des Eingliederungsprozesses kann darin begründet sein, dass die / der Beschäftigte erfolgreich wieder eingegliedert werden konnte
bzw. die Maßnahmen zum gewünschten Ziel führten. Die Maßnahmen können aber auch aus verschiedenen Gründen - unabhängig, ob von Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite - jederzeit abgebrochen werden. Unter Umständen ist dann ein erneutes Eingliederungsgespräch durchzuführen.
Die Wirksamkeit der in der Eingliederungsvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen wird über das Abschlussgespräch hinaus von der / dem
BEM-Verantwortlichen im ersten Jahr nach Beginn der Maßnahmen in Drei-Monats-Intervallen, danach weitere drei Jahre lang jährlich überprüft. In diesem Zuge erfolgt eine jährliche Rückmeldung an den Arbeitgeber, wie das betriebliche Eingliederungsmanagement bei der / dem jeweiligen Mitarbeiter(in) verläuft.
6 Datenschutz und Dokumentation
Das betriebliche Eingliederungsmanagement erfolgt unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Daten, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erhoben werden, dienen ausschließlich der Beschäftigungssicherung
bzw. -förderung. Die Verwendung gewonnener Daten zu anderen Zwecken ist unzulässig. Wenn personenbezogene Daten an Dritte weitergegeben werden müssen, ist die / der Betroffene darüber aufzuklären und eine schriftliche Einwilligung einzuholen.
Um die Arbeitsfähigkeit Betroffener langfristig zu erhalten
bzw. wieder herzustellen ist eine ausreichende Datengrundlage unerlässlich. Sie sind nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber oder anderen am
BEM-Verfahren Beteiligten Diagnosen oder den zu erwartenden Erkrankungsverlauf mitzuteilen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement macht jedoch nur Sinn, wenn die Beteiligten über alle derzeitigen oder dauerhaften Einschränkungen informiert werden, die aufgrund der Erkrankung am Arbeitsplatz bestehen.
Sensible Daten, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements relevant sind, werden von der / dem
BEM-Verantwortlichen erhoben. Vertrauliche Daten, die für eine erfolgreiche Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erforderlich sind, umfassen unter Umständen Diagnosen sowie medizinische Angaben zum zukünftigen Krankheitsverlauf und zu den zukünftig erwarteten Auswirkungen einer Krankheit auf die Arbeitsfähigkeit. Unerlässlich sind Informationen über die momentane Leistungsfähigkeit der
bzw. des Beschäftigten bezogen auf den konkreten bisherigen Arbeitsplatz und die ärztliche und psychologische Beurteilung bezüglich der Durchführbarkeit konkreter Maßnahmenvorschläge seitens der / des
BEM-Verantwortlichen. Das Einverständnis über die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung, Aufbewahrung und den Schutz personenbezogener Daten im Rahmen von Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements bestätigt die / der Mitarbeiter(in) schriftlich in einer entsprechenden Vereinbarung. Sofern die / der Beschäftigte ihre / seine Einwilligung zur Weitergabe von Daten gibt, ist es möglich, auch mit weiteren (von der / dem Mitarbeiter(in) akzeptierten) Beteiligten über sensible Daten zu sprechen, soweit sie für das betriebliche Eingliederungsmanagement erforderlich sind.
Eine Weitergabe von Daten an Dritte
(z. B. Integrationsamt, Servicestelle) erfolgt nur nach schriftlicher Einwilligung der betroffenen Person. Im Falle einer zweckdienlichen Abstimmung mit behandelnden (Haus-)Ärzten dürfen diese die ihnen bekannt gewordenen gesundheitlichen Informationen erst weitergeben, wenn die / der Betroffene sie schriftlich von der Schweigepflicht entbunden hat.
Die Dokumentation der im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erhobenen Informationen erfolgt durch die / den
BEM-Verantwortlichen. Gesprächs- und Verlaufsdokumentationen, Schweigepflichtentbindungen, ärztliche und psychologische Gutachten, Stellungnahmen der Rehabilitationsträger
u. ä. werden nicht in die Personalakte aufgenommen, sondern in einer gesonderten
BEM-Akte abgelegt, die nur der / dem
BEM-Verantwortlichen zugänglich ist. In die Personalakte wird lediglich aufgenommen, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements angeboten wurde, ob sich die betroffene Person mit der Durchführung einverstanden erklärt hat oder nicht, welche konkreten Maßnahmen angeboten wurden (sofern hiervon die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit verändert wird) und, ob eine Umsetzung mit Einverständnis der / des Betroffenen erfolgen konnte oder nicht. Diese Unterlagen dokumentieren, dass der Arbeitgeber den gesetzlichen Vorgaben des § 167
Abs. 2
SGB IX nachgekommen ist. In der Personalakte wird ebenso vermerkt, wann das betriebliche Eingliederungsmanagement beendet wurde und ob dies einvernehmlich erfolgte. Wenn das Verfahren einseitig beendet wurde, so wird diese Tatsache vermerkt.
Die in der Personal- und
BEM-Akte befindlichen Unterlagen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement werden drei Jahre nach der letzten Maßnahmenkontrolle (
vgl. Nr. 5,Schritt E) vernichtet. Zu diesem Zeitpunkt kann davon ausgegangen werden, dass die Schwierigkeiten, die Anlass für das betriebliche Eingliederungsmanagement waren, nachhaltig beseitigt wurden und eine Arbeitsplatzgefährdung aus diesem Grund nicht mehr zu befürchten ist. Widerrufen Betroffene ihre Einwilligung in einzelne Datenerhebungen, -Verarbeitungen oder -Übermittlungen, werden die entsprechenden Daten aus der
BEM-Akte entfernt. Erstreckt sich der Widerruf auf Daten, ohne die das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht fortgesetzt werden kann, wird der Widerruf als Rückzug der Einwilligung in das betriebliche Eingliederungsmanagement behandelt. Die Inhalte der
BEM-Akte werden in diesem Fall vernichtet.
7 Geltungsdauer
Diese freiwillige Betriebsvereinbarung tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft. Sie kann von jeder Seite unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.